Diese Woche bekam eine Patientin während der Behandlung ihren “Griechenland-Schmerz”, als sie sich nach vorn neigte. Diese Rückenbeschwerden hatte sie sich im diesjährigen Urlaub zugezogen. Mein erster Impuls war: Allerhand, was dieses Jahr doch alles ging, selbst ein Griechenlandurlaub. Ihre Antwort: “Ja, unglaublich. Ich war sogar in Costa Rica. Es fühlt sich nur Ewigkeiten her an.”
Ja, so ist das mit der Erinnerung und dem Chaos und den Einschränkungen in diesem Jahr 2020. Was bleibt in unserem Geiste hängen? Auch und insbesondere deswegen mag ich das Lied von The Bengsons http://blog.tina-knape.de/2020/11/10/keep-going-on/ und die Passage: “I hope you have enough good company or enough good memory to last you a long time…”
Und darum geht es — zu sehen, was AUCH da war und ist! http://blog.tina-knape.de/2020/07/09/blickwinkel-als-helfer/ Darum, einerseits zuzulassen, was mies und unangenehm und beeinträchtigend ist — und war — aber beim Motzen trotzdem nicht zu verpassen, dass es auch die freudige Gegenseite gab und gibt: *Den Anruf der Freundin aus alten Zeiten, der sich jetzt mit einem anderen Nachdruck möglich machen lässt. *Die Frage nach: Wie geht es Dir? Wie kommst Du damit klar? *Zu erleben, dass das auch wirklich so als Nachfrage gemeint ist.
Zum Jahresende erstelle ich gern eine Liste mit Zielsetzungen / Visionen / Ideen / Schwerpunkten meines inneren und äußeren Ausrichtens für das kommende Jahr und empfehle das immer gern meinen Patient*innen. Zum Zeitpunkt meines Blogpost Ende letzten Jahres war wohl für fast jeden von uns noch nicht zu erahnen, was 2020 für ein anders- und neuartiges Jahr wird. http://blog.tina-knape.de/2019/12/26/rueckblick-und-ausblick/ Neulich etwa, im Gespräch mit Freunden, fand ich die Beschreibung, dass die gesamte Corona-Situation wie ein “Brennglas” wirkt und aufzeigt, wo Missstände und große Kompensationen herrschen, sehr treffend. Für mich persönlich kann ich das bestätigen. Die Verdichtung der Gesamtsituation lässt vieles nicht einfach so wegstecken, verdauen oder ausgleichen wie in regulären Zeiten und bietet uns somit die Möglichkeit, zu erkennen, wo Veränderung, Annehmen, Bewusstsein und Arbeit für mehr Ausgleich sorgen können. Nichtsdestotrotz ist es meiner Ansicht nach ein wesentlicher Punkt, sich nicht überschwemmen zu lassen (so gut es eben gelingt) und den Blick zu schärfen für alles, was dieses Jahr auch an Gutem war und ist.
Für das Jahr 2020 empfehle ich den Rückblick mit bewusst weiter Sicht. Am besten fahren Sie dazu tatsächlich auf einen Hügel oder Berg (oder setzen sich zumindest im obersten Zimmer/ Stockwerk ans Fenster). Wählen Sie einen Platz, an dem Raum um Sie herum ist, sodass Sie sich auch innen weiten und sehen können: Was war alles los? (Nehmen Sie sich Zettel und Stift mit, vermutlich wird es einiges sein.) Welche Ereignisse haben welche Aspekte in Ihnen in Bewegung gebracht, vielleicht in noch nie da gewesener Art? Und wo ist Bewegung entstanden, wo es sonst in den letzten Jahren vielleicht recht starr vor sich hin dümpelte? Was ist sichtbarer geworden? Was bedrohlicher? Was lohnenswerter? Was bewusster? Was gab es dazuzulernen? Was und wem begegnen Sie mit mehr Wertschätzung? Welche Beziehungen haben sich durch die Gesamtlage verändert? Wobei ist ein Zugewinn entstanden? Was ist bedauerlich? Was soll so in 2021 nicht weitergehen? Welche Facette haben Sie neu an sich kennengelernt? http://blog.tina-knape.de/2019/04/13/inspiration-do-you-dare-to-dream/
Da gibt es so viel zu reflektieren und aufzuschreiben. Der Stift in der Hand sorgt für ein anderes Tempo, Vertiefen und Reflektieren. Wer kreative Skills wie Zeichnen besitzt, kann auch auf diese Art seinem Innenleben wunderbar freien Raum lassen. Seien Sie es sich wert, sich diese Auszeit zu nehmen und sich mit sich und mit den “brennenden” Themen zu verbinden, auch wenn vermutlich nicht nur freudiges, sondern auch schmerzendes auftaucht. Beides eben. Wie Sonne und Mond, Yin und Yang, Tag und Nacht. Für mich sind zum Schreiben schöne Musik oder echte Naturgeräusche wie Balsam für die Seele.
Ich wünsche Ihnen Durchhaltevermögen, schöne Erinnerungen, wohlige Gesellschaft (und sei es mit sich selbst) und eine besinnliche Weihnachtszeit und einen Bewusstsein- schaffenden Jahresausklang.
P.S.: Für den nächsten Schritt des “Ausblicke 2021” wird ein weiterer Blogpost mit extra Aufmerksamkeit und Zeit später folgen. Nur so viel: Langmut ist ein wunderbarer Wunsch fürs neue Jahr. Mein weiser Kollege sagt: Nur mit Langmut kommt man gut durch eine Pandemie. Recht hat er wohl.
Nachträglicher Zusatz: Wer noch schöne Reflexionsunterstützung für seine Ausrichtungen 2021 braucht: mein Bekannter Richard hat wieder was zusammengestellt. Lohnenswert!