“Das Schiff” erschienen im NSB Magazin am 2.3.15

30.12.14
Das Schiff ächzt und stöhnt, singt und brummt, vibriert und bebt, tanzt und springt, lacht und weint, röhrt und schaukelt, hüpft und schwebt, schiebt und schubst, bewegt und lässt sich durchbewegen,
atmet schwer und behebig, doch gleitet fließend und zielgerichtet,
wird gesteuert und hat doch eine eigene Macht,
Dröhnt und lässt doch vertrauen,
bietet Schutz, zeigt sich stark gegenüber den Elementen Wasser und Wind und lädt einen dazu ein, verführt gar ins Ungewisse aufzubrechen.

Es bringt einen näher zur Natur, getragen vom Meer und ihrer überwältigenden Größe,
lehrt einen Sieg und Demut zugleich,
ruft die Ferne und lässt damit die Heimat noch viel mehr Leuchten,
ist die Brutstätte von sehnsuchtsvollen Gedanken und Liedern
und versprüht doch auch eine Süße der Ferne und des eigenen Gesanges des Windes an Bord.

Es reizt, frohlockt,
doch droht auch und gebärdet sich,
bietet gute Grundversorgung und doch Entbehrung.
Vor der Nase die Freiheit und doch auch das Aufsaugen von Entscheidungsmöglichkeiten in der Enge der abschließenden Bordwand.

Was als Passagier sich erholsam und ungewöhnlich in unseren heutigen Zeiten anfühlt und eher ein Gefühl von Erfüllung erzeugt, so weit weg zu sein vom “gewohnten Alltag”, Medien und gesellschaftlichen Zwängen, Überflußentscheidungen im Supermarkt, stetigen Reizen und Entertainment für Auge und Geist an Land,
bringt es für die Seemänner auch die Schattenzeiten der fressende Zeitmaschine. Auf dem Meer sein, monatelang, fernab vom Alltag der Anderen. Wenn sie dann zu ihren Familien zurückkehren, erwartet sie dort eine Welt, die verwandelt und gewachsen ist, sich weitergedreht hat, in all der Zeit zwischen Wellen und Wind, Maschinenöl und Omelette am Morgen.
Die Zeit des Wachstum der Kinder bleibt unwiederbringlich, das erwirtschaftete Geld fließt mit bester Absicht in die Schulbildung des Nachwuchses. Diese Kinder, die einen Vater in der Ferne irgendwo auf den Weltmeeren für die meiste Zeit des Jahres haben.
Das ist ein anderer Preis, den jeder auf seine Art während der Arbeitsreise zahlt. Und doch…

So ist es auch immer wieder eine Art Verlockung und ein Ruf, dem man folgen muss, wenn man diesen “See-Stachel” in sich trägt-
die Sehnsucht nach dieser unendlichen Weite, der unverblümten Kraft der Elemente, den auch alltäglichen Strukturen, die einen Rahmen bieten, der Sehnsucht des Herzens, was hier am lautesten schlägt, die Vorfreude, die so intensiv keine andere Zeit der Abwesenheit mit sich bringen kann. Das Schaukeln und Wiegen.
Begegnungen mit “Gleichgesinnten” bei Bier und Karaoke am Abend.
Da entsteht auch wieder eine Brücke zwischen Arbeiter und Passagier… diese Weite, diesen Horizont, Sonnenauf- und untergänge, diese Geräuschkulisse des Klappern und Schlagens, Surrens und Vibrierens, das findet sich nirgendwo sonst, so bewegend und einzigartig und erreichend wie hier an Bord.

Es gibt einen weiteren Aspekt, der dem Beruf des Seemannes zueigen ist:
Das Bewusstsein des “ein- wichtiges-Glied-seins” im Zahnrad des Intakthalten und des Belebens des Schiffes, ein tragendes Element in der Gesamtkonstellation an Bord,
Liebe und Leiden zugleich,
nicht von Bord gehen zu können, solange es für die gleiche Position keinen Ersatz gibt…
Und doch auch, eine Sichtbarwerdung, welche Wichtigkeit in der eigenen Aufgabe steckt.
Jeder seine klare Rolle, die auch genau so gebraucht wird und das Gesamtgefüge ausmacht.
Schmerz und Freude liegen hier so nah beieinander,

so wie die Sicht vom Schiff auf die Weite des schier endlos wirkenden Ozeans und Himmels-
und doch auch der “Enge an Bord”, keinen Auslauf und nicht viel Auswahl zu haben.

Und doch ist es ein menschliches Bedürfnis, sich gebraucht zu fühlen.
Jeder spielt eine Rolle. Jeder hat das Recht auf Respekt und Allüren, weil es ein Wir gibt, was auch die Rahmenbedingungen der Bordwand mit sich bringt.

Möge jeder Interessierte die Möglichkeit im Leben haben, einmal am eigenen Leibe mitzuerleben, welche Intensität dieses Leben an Bord hat.
Perspektiven und Weite verschieben sich, Linien auf Seemannskarten bekommen Bedeutung, die für das bloße Auge unsichtbar bleibt.
Es gibt ein Gefühl von Gemeinschaft, auch wenn es nicht immer offensichtlich sein wird.
Und doch sitzen alle in einem Boot.

(geschrieben für das NSB- Reederei- Magazin)

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