>Nicht nur im Außen gibt es lost places, die man entdecken oder besichtigen kann. Innen auch!<
Während ich neulich im alten Frankfurter Polizeipräsidium zu einer “lost places Tour” war, drängte sich mir dieser Gedanke immer deutlicher auf. Es gibt nicht nur um uns herum verlassene Orte, die vielschichtige Geschichten erzählen. Auch in uns gibt es verlorene Plätze, die einen Besuch wert sind. Zu manchen wollen wir vielleicht lieber nie mehr. In anderen Bereichen wäre es vermutlich heilsam, sie häufiger aufzusuchen. http://blog.tina-knape.de/2022/04/28/die-innere-wohnung-in-uns/
Das Gebäude des alten Polizeipräsidiums hat ungewöhnliche Transformationen erlebt und wurde zwischenzeitlich als Club, Lounge und Cocktailbar genutzt. Nachdem den eindrucksvollen Räumlichkeiten so ganz anderes Leben eingehaucht worden ist, steht es nun leer und wartet jetzt auf seinen (wenn auch nicht vollständigen) Abriss.
So gibt es auch in uns Orte, die eine veränderte Nutzung erfahren. Ein Hirn, das in der Schule und im Studium Wissen aufgesogen hat, wird dann phasenweise vor allem noch für Einkaufslisten und Babysprache gebraucht. Versteckte Talente, die im Inneren verborgen liegen, werden je nach Lebensphase von anderen Aufgaben, Karriereleitern oder Prioritäten überdeckt.
An manchen Stellen des verlassenen Gebäudes dringt die Natur durch die Ritzen und Fenster und bahnt sich ihren Weg, erobern die Pflanzen verbaute Steine in die Welt der Natur zurück. An anderen Stellen spiegelt sich in den Scherben das Himmelsblau. http://blog.tina-knape.de/2020/12/10/wie-das-licht-eindringt/
So treffen wir auch in uns bei einer Entdeckertour auf Stellen, die verschüttet, scheinbar verloren sind. Unbeleuchtet, aber wahrhaftig. Angeknackst, doch Teil eines großen Ganzen.
Je nachdem, worauf wir den inneren Scheinwerfer richten http://blog.tina-knape.de/2023/06/29/spotlight-worauf-wir-unseren-fokus-lenken/, werden andere Aspekte in uns beleuchtet. Sanftes Licht, um zu erkennen? Scheinwerferstrahler, um auszuleuchten oder abzulenken? Was welche Funktion hat, braucht wohl seine ganz eigene Intensität und die stete Suche nach Wahrhaftigkeit.
So funktioniert das “Resonanz- Prinzip” selbst in verlassenen Gebäuden, um innere und äußere Bilder abzugleichen. Es ist wie ein Wiedererwecken von Aspekten, die sonst verschütt gehen können, wenn keine Aufmerksamkeit dafür da ist. Es geht um ein “auch das sehen”, was mitten in einer pulsierenden Stadt oder in einem lebendigen Körper vonstatten geht — und sei es, dass da gerade nicht viel geht. Doch sich, mit und ohne Taschenlampe, bei Tag oder bei Nacht, im Innen und im Außen in einen “lost place” zu trauen, bringt etwas in Bewegung. Und mit Begleitschutz und in der Gruppe verlieren verlassene Gefängniszellen gleich ein Stück ihrer bedrohlichen Kraft. Unwohlseins gehört dazu, um sich Verborgenem zu stellen. So ist das in Therapie auch.
Es ist interessant, welch unterschiedliche Erinnerungen so ein besonderer Ort in jedem von uns auslösen kann. Eine Patientin erzählte, sie saß da einmal fest für eine Nacht — in den wilden 1968ern. Eine andere Bekannte besuchte früher die Schule nebenan. So empfindet jeder andere Verbindungen — ausgelöst durch die Erlebnisse, die schon in uns abgespeichert sind.
Weil das ungewöhnliche Außen uns auch innen an selten besuchte Orte bringt, ist das hier ein Plädoyer für den Besuch von ungewöhnlichen Orten, die uns helfen, Zugänge zu bekommen. Was entdecken Sie (wieder)?