Spotlight – worauf wir unseren Fokus lenken

“Je nachdem, worauf wir den inneren Scheinwerfer richten, werden andere Aspekte in uns beleuchtet. Sanftes Licht, um zu erkennen? Scheinwerferstrahler, um auszuleuchten oder abzulenken? Was welche Funktion hat, braucht wohl seine ganz eigene Intensität und die stete Suche nach Wahrhaftigkeit.” http://blog.tina-knape.de/2023/06/22/lost-places-in-uns/

Eine Beispielgeschichte: Ich begleite seit mittlerweile einem Jahr wöchentlich eine Patientin, die bildlich gesprochen sehr große, intensive Lichtstrahler in ihrem Alltag dabei hat. Während der Therapie beschreibt sie mir detailreich, was sie da alles sieht und erlebt. Wie wir alle legt auch sie ihren persönlichen Filter über die verschiedenen Geschehnisse. Vermutlich hat jeder von uns eine unterschiedliche Scheinwerfergröße und -reichweite sowie Ausrichtung, worauf wir den Fokus lenken. Therapie dient dazu, einen neuen Impuls, einen anderen Blickwinkel einnehmen zu können, der unter dem eigenen Scheinwerferlicht eventuell versäumt wird. http://blog.tina-knape.de/2020/07/09/blickwinkel-als-helfer/

Letzten Herbst arbeitete sie in ihrer Argumentation plausibel heraus, was bei ihrem Abwägen des Für und Widers ihres Jobs mit all den Widerständen trotzdem dafür spricht, bis zur Rente in der Situation durchzuhalten. Ihre Aussagen waren beleuchtet, durchdacht, argumentativ untermauert und im Urteil manifest. Meine Rolle war es damals, als “Anwältin für ihren Körper” zu sprechen und diese Klarheit ein Stück weit zu hinterfragen. Doch das veranlasste sie, das Licht auf die Beweggründe nur noch greller erstrahlen zu lassen.

Nun saß die gleiche Frau ein halbes Jahr später und um einige Erlebnisse und Symptome reicher wieder in meinem Behandlungsraum. Sie hatte den Scheinwerfer zur gleichen Thematik mittlerweile auf vollkommen andere Aspekte gelenkt. Dadurch erklärte sie mir nun diametral, aber nicht weniger plausibel, dass für sie absolut alles dagegen spreche, an “bis zur Rente in diesem Job zu bleiben” auch nur zu denken. Auch in diesem Monolog war sie klar und eindeutig.

So saß ich da in meinem Sessel und dachte darüber nach, wie unterschiedlich doch ein “Beleuchten” aussehen kann.

Wie entscheidend ist es doch: Worauf lenken wir unseren inneren Scheinwerfer? Was rücken wir in den Fokus? Wovon lenken wir uns ab? Was verschwindet dabei im Schatten, je greller anderes ausgeleuchtet wird?

Ein anderes Beispiel, neulich in Hamburg. Zwei ältere Herren joggen gemeinsam in Shorts um die sommerliche Alster. Die Beinachse war dabei nicht mehr im Lot, die Muskeln nicht kräftig genug, um bei der Belastung stabil zu bleiben. Dadurch kam ein ausgeprägtes Xen heraus. Der Innenmeniskus bekommt bei dieser mechanischen Belastung total viel Druck. Gefühlt bekam ich Knieschmerzen nur vom Zuschauen. Doch wie viele Leute laufen wohl um die Alster (oder im Günthersburgpark/ Englischen Garten etc.) und denken, sie tun sich dabei etwas Gutes? Und bei wie viel Prozent der Läufer*innen ist das auch wirklich so? Die Menisci dieser Herren klatschten sich zumindest mit jedem Schritt förmlich in die Hände. Könnten die Zellen lokal Schmerzen empfinden (tut ein Meniscus nicht), würden sie dauerhaft “Aua” rufen. Doch worauf lenken diese berenteten Sportler ihren Scheinwerfer? Vermutlich eher auf ein “Ich hab heut schon eine 8 km Joggingtour um die Alster gemacht”, wobei strukturell vermutlich 3 km in deren Fall viel gesünder gewesen wären — oder eben ein Ausflug ins statt um das Wasser, um dort dann unter Entlastung mittels Aquajoggen Kilometer zu absolvieren.

Wie gern lenkt unser Geist uns immer wieder ab, indem er uns Lösungen bietet, die doch auch nur in die nächste Irre führen?

Wenn wir Details beleuchten, ist es immer wieder wichtig, unsere Scheinwerfer- Einstellung zu prüfen. Welcher Teil in uns hat das Ausleuchten in Auftrag gegeben? Wie flexibel bleiben wir dabei, den Fokus des Lichts auch ein Stück weit nach links und rechts schweifen lassen zu können, ohne uns vor den unbeleuchteten Details zu fürchten?

Ein Ja zum Scheinwerferausleuchten nutzen und gleichzeitig ein Obacht!, was die Interpretation des Gesehenen daraus bedeutet.

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