Schon seit Jahren begleitet mich der Impuls, bestimmten Menschen in speziellen Lebenssituationen und -übergängen, diese Hausaufgabe ans Herz zu legen.
Dazu erzähle ich immer eine kleine Geschichte. Und diese geht so:
Als ich mit Anfang 20 eine frisch ausgebildete Physiotherapeutin war und noch mitten in den klassischen Fortbildungen wie Manuelle Therapie und PNF steckte, besuchte ich ein Seminar in der Eifel. In diesem Seminar wurde für mich das 1. Mal auch der Mensch und das Herz als Therapeutin, aber auch des Patienten angesprochen. Im ersten 3-tägigen Fortbildungsmodul bekamen wir als Hausaufgabe den Auftrag, innerhalb der Seminartage auf einem noch leeren Zettel unsere “21 Lebensziele” aufzuschreiben.
Einundzwanzig Lebensziele!! Einundzwanzig!?! Echt?
Das dachte ich damals auch. Aber dann abends im Cafe (es hieß witzigerweise auch noch “Carpe diem” und lag direkt an der Ahr) blubberte es doch über die Hand auf den Zettel aus mir heraus. Und ich weiß noch, wie es bei manchen Begrifflichkeiten dieses kurze Zögern gab: Wenn ich das jetzt aufschreibe, dann bedeutet mir das ja wirklich viel!
Selbst jetzt noch weiß ich: Wie unbewusst-bewusst richtungsweisend und erleuchtend es war, sich diese Frage nach den 21 Zielen zu stellen. Jahre später saß ich auf dem Rücken eines Pferdes in Uruguay, sprach ein bisschen spanisch und hatte damit drei meiner Ziele verwirklicht: Südamerika bereisen, reiten lernen, spanisch sprechen können. Ich habe gestaunt und genossen.
http://blog.tina-knape.de/2015/02/06/in-der-gruenen-natur-uruguays/
Mittlerweile fällt es mir während meiner Arbeit in den unterschiedlichsten Momenten ein, meinen Patient*innen diese Hausaufgabe ans Herz zu legen. Es gibt zähneknirschende Abiturient*innen, die ihr Leben in die eigenen Hände nehmen und sich selbst ausrichten. Es gibt Krebspatient*innen, die offiziell wieder “genesen” sind und nun erstmal Schwierigkeiten haben, nach dem puren “Überleben wollen” neue, weiterführende Ziele zu definieren. Es gibt Eltern, deren Kinder flügge werden und die nun wieder auf sich selbst und als Paar zurückgeworfen sind und dieser Übergang wahrlich nicht leicht ist. Ich erinnere mich an eine junge Frau, die mit hochakuten Nackenbeschwerden kam — der Auslöser war vermutlich ihre eigene abgesagte Hochzeit eine Woche vor dem Hochzeitstermin, weil sie zu sehr in Frage stellte, ob es die richtige Entscheidung sei. Und mit diesem Schritt war ihr eine ganze Kette an weiteren Plänen abhanden gekommen. Neue Ziele definieren war einer der lösenden Momente für ihre krassen Verspannungen.
Das Besondere bei dieser Hausaufgabe ist: Es ist ein bisschen wie Samen legen, schon während man darüber spricht. Anschließend lassen sich die Gedanken darüber nicht mehr so einfach wegschieben und eine häufige erste Reaktion auf die Aufgabe ist: “Was? 21 Lebensziele? So viele? Hab ich nicht”. Und doch kommt es zu einem Impuls, der zumeist nicht wieder verschwindet. Es ist wunderbar, sich mit Stift und Papier oder einem Büchlein hinzusetzen und nicht nur darüber nachzudenken, sondern die eigenen, inneren Ziele auch wirklich aufzuschreiben. Dabei passiert etwas. “Aus Gedanken werden Worte und aus Worten werden Taten.” Auch deshalb sollten wir unseren Geist gut beobachten — welchen Szenarien und Gedanken geben wir da Raum und in welche Richtung wollen wir diese Gedanken lenken.
In meiner Wahrnehmung geht es nicht nur um äußere Ziele, die zu verwirklichen möglich sind. Vielmehr war eins meiner Schlagworte damals, das auf das Blatt rutschte: Achtsamkeit. Seit dieser Zeit drehe und wende ich dieses Wort und seine Bedeutung, die Reichweite, die Bereiche, die es umfasst- und Achtsamkeit begleitet mich in den verschiedensten Zusammenhängen. Dieser Aspekt gehört für mich weiterhin auf meine Lebensziele-Liste.
Die Hausaufgabe an alle Leser*innen für heute steht also fest ;). Viel Freude dabei. Es ist wahrlich ein schönes Erlebnis. Und 21 Ziele finden sich in jedem Alter und in jeder Lebensverfassung, ganz sicher! Heart wide open.