In der grünen Natur Uruguays

3.2.15

Gerade eben ist es wohl genau so auf einer Hacienda, wie es sich jeder klischeehaft vorstellen kann.
Ich sitze bei sommerlichsten Temperaturen Anfang Februar mit meinem Kleid und einem Sombrero im Schatten der Bäume, die Pferde grasen, die Hühner gackern, die anderen beiden Gäste, die heute mit mir nur hier sind, liegen irgendwo im Gras rum. (Witzigerweise waren sie auch auf einem Schiff, nur eben als Arbeiter auf einer teuren Jacht. Sie (polnisch) ist Stewardess und er (mexikanisch) ein begabter Koch.) Die Vögel zwitschern, zwischendurch kommt ein Kolibri vorbei und “zutscht” (um mal ein Oberlausitzer Heimatwort einzubringen) an einer der schönen Blumen. Boxerhündin Kira kommt zum gegrault werden vorbei, wenig später auch noch die Macho-Version, ihr Bruder Rocco.

Es ist Ruhe, es ist wiedermal Frieden, es ist frei haben, es ist Natur. Es ist dieses Mal auch noch maschinengeräuschefrei. Hier hört man nicht mal ein Auto. Es ist ein Leben mitten im Naturgeräuscheklangkörper. Eine Oase zum Chillen und damit auch spüren, wie gut ich mittlerweile schon rumsitzen kann und Siesta halten, sein, wenig tun, vor allem “rechieven”.
Nichtsdestotrotz spüre ich hier so beim Sitzen vor allem meine Beinmuskeln. Heute morgen war der zweite Sonnenaufgang auf einem Pferderücken. Der zweite Morgen mit einem anderen Naturerlebnis, in Südamerika zu sein und die Schönheit und die Weite dieser Region hier zu erleben. Und heute morgen am 3.Februar (und das ist wohl auch besser so, dass meine gegebenfalls sorgenvollen Anverwandten das jetzt erst mit ein bisschen Zeitverzögerung lesen können), bin ich galoppiert. Und es war eine große Freude. Das ist echt ein besonderer Kick. Am vorhergehenden Tag hatte ich eher ein “lazy horse”, außerdem war diese Stute schwanger und ich nun mal lange nicht auf einem Pferd. Doch schon das war wunderbar, wenn auch mit einer anderen Reisegeschwindigkeit. Heute morgen hingegen kam ich mir vor, als wäre ich von Opel auf Mercedes umgestiegen und war mehr mit Bremsen als mit Gas geben beschäftigt. Der Wallach Urko hatte weit mehr fühlbare Pferdestärken. Und dann- so auf dem Feldweg unter der stetig mehr aufsteigenden und wärmenden Sonne- kam nach dem Trapp noch eine Beschleunigung mehr, die Felder links und rechts, die kunterbunten Vögel überall, die anderen beiden flotten Pferde um mich rum… galoppieren… das war wow! Dafür sitze ich nun gerne hier und ahne, was das für ein Muskelkater wird, wenn ich morgen früh aufwache. Aber wie wunderbar, so den Tag zu beginnen. Das Landleben, wie es klassisch in jedem Buch steht. Und es fühlt sich toll an, hier die Möglichkeit zu haben, es mitzu(er)leben.
Monica und Miguel, die Besitzer von El Galope in Uruguay haben mal für 4 Jahre in Tübingen gelebt. Es ist schon amüsant, hier in einem lonely planet über “Germany” zu lesen, was man wie zu beachten hat und welche Reiseziele sich lohnen. Schöner Perspektivwechsel. Ich empfinde auch Verbundenheit, was mir vertraut ist und was sich auch an Wertschätzung bei ihnen zeigt über deren Zeit im Bundesland der fünffachen Mülltrennung. 🙂 Sie haben hier eine Sauna gebaut und schocken nun, nur mit einem Handtuch bekleidet beim gelegentlichen abendlichen Saunagang, immer wieder aufs Neue amerikanische Gäste, die mit dieser Art der Freizügigkeit vollkommen unvertraut sind. Keiner dieser Gäste ahnt, dass das auch eine Eigenschaft von Deutschland ist, “mit umgezogen” mit den beiden bei ihrer Rückkehr nach Uruguay.
Das Käsefondue hingegen, was es gestern abend gab, war eher traditionell von der Suiza colonia, wozu diese Region hier gehört.
Um das Klischee aber zu komplementieren: Heute abend werden wir grillen, am offenen Feuer in der Küche, “asado” heißt das hier. Es wird Wein von “El Galope” geben, sicher viel Fleisch, wobei Monica auch einen wunderbaren Salat macht (was ich weiterhin nach der Schiffszeit sehr erfrischend genieße).

Nun, es ist hier, wie es sich auch in Büchern liest. Anders als bei der asiatischen Hitze am Strand, wo es in mir noch viel “irgendwas ist immer” gab, ist’s hier nahezu perfekt.
Ich hör den Vögel beim Zwitschern zu, staune über deren mir farbenfrohen fremden Arten, die es hier gibt (Uruguay heißt: das Land der farbenfrohen Vögel); sehe, wie der Wind die Bäume bewegt; beobachte, wie die Pferde grasen; frage mich, warum Hühner eigentlich keine Nackenbeschwerden haben, wenn sie den Kopf doch beim Gehen immer wieder so vorausschieben; graule dann doch immer wieder mal einen der Hunde, die abwechselnd ihren Kopf auf meinen Schoß legen und mich so vom Tippen abhält; freu mich still vor mich hin, hier zu sein, bin so dankbar und denke mir: What a life!

Witzigerweise kam gestern zur Sprache, dass der President Pepe hier auch schon zweimal war. Der Mexican-Koch hat auch schon mal für George Bush gekocht.
Es bleibt interessant, wer sich so alles auf der Welt tummelt und Geschichten zu erzählen hat und es sich anfühlt, als wär es nicht weit, wirklich eines Tages Brad Pitt zu treffen und zu behandeln, Kaffee trinken zu gehen mit Jorge Bucay. Geist auf für Möglichkeiten!!
Ich werde mal meine Liste weiterspinnen, was mir denn noch so alles begegnen könnte, was die Welt nur noch bunter macht, als ich sie eh schon erlebe.

Und, noch was: Als ich bei Rot (weil schließlich keine Autos kamen) in Montevideo über die Strasse gegangen bin, sagte der Ausflugsguide der Schule: “Oh, Du bist nicht richtig deutsch. Du bist eine Latina!”
Mit einem Schmunzeln konnte ich nur antworten, dass meine Eltern dass vielleicht nicht bewusst war, doch: “La Tina”… da steckt doch schon alles drin ;).
Und gerade kommt Miguel mit dem Feuerholz vorbei, sieht mich mit meinem Hut, wie ich hier sitze und schreibe und sagt: “Ah, la gaucha”… Ja. Hier fühlt es sich echt auch nach Zuhause an, mit Lust auf Reiten im Blut, Freude an der spanischen Sprache, Geselligkeit und Geschichten erzählen. Vielleicht wäre ich damals bei der Besiedlungswelle hier für dieses leere Land, weil sie alle Ureinwohner getötet haben, dabei gewesen, um ein neues Zuhause mit Respekt für das Geschenk der Natur zu kreieren. Doch 100 Jahre später sitze ich stattdessen hier und genieße die Früchte, die die anderen mutigen Umsiedler geschaffen haben und es zu ihrer neuen Heimat wurde.
Gleich gibt es Essen und ich rieche schon, es wird wieder lecker! Hinterher Eiscreme am Minipool mit Blick auf den Vollmond…
es hört sich sicher wirklich an wie in einem Klischee-Urlaubsprospekt, doch es ist wahr und ich genieße all das und bin mittendrin! Viva la vida! Me encanta Uruguay!!

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