Du darfst!
In welchen Situationen helfen Dir diese Worte?
Du darfst loslassen.
Du darfst gehen.
Du darfst Dir Zeit nehmen.
Du darfst Dir das erlauben.
Im Gespräch mit einer lebenserfahrenen und fröhlichen Frau sind mir diese beiden Worte sehr hängen geblieben. Im Rahmen ihrer Arbeit im Hospiz erlebt sie immer wieder den Zauber, welche Kraft sie haben. Du darfst gehen. Sterbende auf dem letzten Stück des Weges zu begleiten, ist eine besondere und tiefe Art der Begegnung. https://blog.tina-knape.de/2020/01/17/das-sterben-und-ueber-moehren-eier-und-kaffeebohnen/
Scheinbar braucht es für den letzten Übergang manchmal eine Art Erlaubnis, sich wirklich von dieser Welt verabschieden zu dürfen. Viele Todgeweihte sterben genau in der Zeit, in der die Angehörigen kurz frische Luft schnappen gehen und sich nicht im Raum befinden. Einen geliebten Menschen ziehen lassen ist schwierig. Dafür sind Ehrenamtliche in der Begleitung so ein wichtiger Schlüsselpunkt. Die Sterbenden sind “nicht allein” und es gibt mehr Raum, gehen zu können. Im Raum entsteht eine Stimmung von: Du darfst loslassen.
Das ist ein wesentlicher Unterschied auch in der medizinischen Versorgung. Ein Arzt ist verpflichtet, jegliches Leben zu retten, ganz egal, wie krank oder alt der Patient ist. Eine Vereinbarung mit einem Palliativteam gibt den Ärztinnen und Pflegern die Möglichkeit, auch schmerzlindernd und Lebensqualität erhaltend zu begleiten, anstatt rein lebensrettend zu agieren. Mein ehemaliger Patient und seine Frau waren so froh, in seiner finalen Lebensphasen nach langer, tapferer und schwerer Krankheit die Möglichkeiten zu haben, selbstbestimmt zuhause sterben zu können.
Doch nicht nur in der finalen Lebensphase ist ein “Du darfst” lösend. Auch eine junge Patientin mit Panikattacken, die in ihrem aktuellen Zustand nicht belastbar genug ist, um ihren Alltag zu bewältigen und erst recht nicht ihren high performing Job ausführen kann, braucht ein “ich darf”, um sich ihr krank sein zu erlauben. Das wird so lange dauern, bis ihre Belastbarkeit so wiederhergestellt ist, dass sie mit voller Aufmerksamkeit wieder einsteigen kann. Ich darf Aufgaben abgeben. Ich darf krank sein. Ich darf freie Zeit für mich in Anspruch nehmen. Ich darf morgens im Bett liegen bleiben. Ich darf einen Spaziergang machen, wenn ich mich so fühle. Ich darf mir Unterstützung holen. Ich darf Hilfe in Anspruch nehmen.
Kein leichtes Erleben, wenn man da mittendrin steckt.
Es lohnt sich, sich diese Freiräume zu geben. Vielleicht mit einem Buch, vielleicht mit einem Spaziergang, vielleicht mit einem guten Kaffee. Einfach frei. Ein erlebtes “ich darf das”, ohne den Druck, es mit “nützlichem” füllen zu müssen.
Vielleicht sind diese kleinen Alltags-Ich-darf-das ja ganz wunderbar als Training geeignet, um auch für die großen Lebensschritte — mit oder ohne Begleitung — ein “ich darf das” umsetzen und loslassen zu können.
Du darfst die Lebendigkeit spüren!
Du darfst Dir Raum nur für Dich nehmen.
Du darfst das.