Über den Wolken,
muss die Freiheit wohl grenzenlos sein…
Nun, über den Wolken, stelle ich abermals fest, dass ich in den verschiedenen Transportmitteln gerne schreibe.
Zug, Flugzeug, Schiff… Vorwärtsbewegen ohne Eigenbewegung- das ist ein schöner Schreibplatz.
Und mit so einem Ausblick erst recht. Es ist toll, über den Wolken bewusst zu erleben, dass hier immer die Sonne scheint. So eine Wolkendecke nach unten wirkt ja eher wie ein Wattebausch, der den Himmel mit der Erde verbindet. Wie toll wäre es doch, diese Sicht auch aus der anderen Perspektive unter grauen Regenwolken nach oben zu haben.
Ich hatte so viel Sonne und Sommer in den letzten fünf Monaten. Ich habe sechs Länder, zwei Kontinente und zwei Ozeane gesehen und erlebt. Ich habe Freunde besucht und neue wunderbare, internationale Verbindungen geknüpft. Ich habe verschiedene Verkehrsmittel erlebt, die mich über große Distanzen und viele Stunden, Tage, gar Wochen an die unterschiedlichsten Orte gebracht haben. Ich habe Einblick in andere Lebensarten und die Vielfalt des “normal” bekommen.
Ich habe nun eher eine Idee, wie herzlich Nepalis sind und auch, wie dort Fleischbatzen am Straßenrand verkauft werden. Ich habe gesehen, wie Frauen in Burkas am Strand von Malaysia sitzen und Malay- Eltern befremdliches Englisch mit ihren Kindern reden. Ich kann mir nun vorstellen, wie ein Australier im arabischen Viertel in Singapur anderen Touristen seinen leckersten Kaffee voller Herzblut kocht. Ich habe nachhaltig miterlebt, wie der Alltag eines Seemannes im Hafen und auf dem offenen Meer aussieht.
Ich konnte noch vor wenigen Tagen einem anderen Reisenden die gutaussehenden und internationale Sprachen sprechenden Kellner/innen in einem Cafe gegenüber vom Teatro Solis in Montevideo empfehlen. Ich weiß nun, dass Uruguayer und Argentinier wirklich stetig mit ihrer Thermoskanne und ihrem Mate-Pott rumlaufen und gesellig mit Freunden diesen kreisen lassen. Ich spüre noch immer eine Form von Weite, Distanz und Schönheit, wenn ich an Patagonien denke.
Und ich weiß, wie die Wellen aussehen. Vor wenigen Tagen zurück am Wasser zu sein, selbst nur am braunen Rio de la Plata in Colonia del Sacramento, hat mir abermals gezeigt, welche Magie das Element weiterhin so deutlich auf mich hat. Ein Sonnenuntergang überm Wasser- wow. Das ist nun anders bedeutungsvoll und erinnerungsträchtig für mich.
Ich spüre noch, wie es sich auf einem galoppierenden, freundlichen Pferderücken anfühlt. Ich höre den Perito Moreno noch knacken und krachen, wenn Gletscherteile absplittern. Ich weiß noch, wie ich Vorfreude und Abschied, Weiterreiselust und den Wunsch, an bestimmten Orten länger zu verweilen, durchlebt habe.
Wie wunderbar, dass in mir alles noch da ist. Abgespeichert. In die Zellen aufgesogen.
Immer wieder übermannt mich ein Gefühl von Dankbarkeit und Freude. Was für eine besondere, abwechslungsreiche, beschützte, erfüllende Reise!
Unterwegs hört man viele Geschichten von anderen Reisenden über beraubte Kameras, verlorenes Geld, miese Krankenhausaufenthalte… Doch selbst die ganz praktischen und reisealltäglichen Dinge sind geflusht. Just in the flow. Beschenkt und beschützt.
Verweilen hat stetig mehr Raum eingenommen als Eile. Getragen von Spontanität und Flexibilität war genug Platz für Begegnungen, Einblicke in die jeweilige Lebensart und einem stetigen Wohlgefühl mit mir. Zeit haben, sich Zeit nehmen- bekam eine neue Dimension und fühlt sich viel länger an.
Die ganze Reisedauer mit “open end” unterwegs zu sein, hat sicher vom ersten Tag an einen besonderen Zauber der Freiheit geboten. Ich konnte mir wirklich Zeit lassen, erst zu fühlen und dann zu entscheiden, wann ich wieder Lust habe, nach Deutschland zu kommen. Und als es stimmig war, habe ich das Ticket gebucht. Seitdem tauchen mit einem Schmunzeln ganz eigenwillige Wünsche und Bedürfnisse auf, die wohl vor allem alle verstehen, die mal länger vom “Gewohnten” abstinent waren.
Ich habe zum Beispiel Lust auf eine Scheibe leckeres, deutsches Brot, mit Aufschnitt (auch gern schon herzhaft zum Frühstück und nicht immer nur dieser süße Kram ;)), am besten saure Gurken dazu. (Auch der Spreewald bekommt einen neuen Pluspunkt aus der Ferne, der kann sauer- und nicht nur süß oder Fleisch!) Vielleicht noch einen guten Bergkäse. Richtig leckeren, aromatischen Käse habe ich auch seit meiner Abreise nicht mehr gegessen.
Ich freue mich auf einfach mal die Sachen aus dem Rucksack packen und morgens vor dem Schrank stehen und entscheiden: “Was ziehe ich denn heute an?” Eine lange, tolle, schöne Dusche nehmen oder gar in die Wanne gehen und sich “zuhause” fühlen. Bettwäsche haben, wo man sich sicher sein kann, dass sie tatsächlich bisher nur von einem selbst bewohnt wird.
Einfach jemanden anrufen, wenn einem nach Telefonieren ist. Keine Zeitzonen mehr beachten, um mit “Europa” zu kommunizieren. Einen viel breiteren, ausgefeilteren, spezifischeren Wortschatz zur Verfügung haben, wenn man in ein Gespräch verwickelt ist.
Einkaufen gehen, ohne dass ich Dividieren üben muss, um eine Idee für den Preis in der Landeswährung zu bekommen (da sind wir nunmal in Europa die letzten Jahre nicht mehr so geübt.)
Ein bisschen “lockerer, entspannter” sein, was das Beachten der eigenen Habseligkeiten betrifft- und keine Gedanken mehr darüber machen, ob das jetzt ein sicherer Ort ist, an dem man mal eben sein Telefon rausholen kann.
Autos, die wieder von links kommen, wenn man über die Strasse geht.
Werde ich nach einer kleinen Weile auch eine Liste mit Dingen zusammenbekommen, nach denen ich mich wieder in der Ferne sehne?
Meine Herausforderung, diese auch am nächsten, heimatlichen Standort zu finden.
Die logistische “Verabredungs-Planung” wieder in Deutschland ging hingegen schon los, als ich noch barfuß in Uruguay saß. Im Moment scheint es mir unmöglich, schon zu wissen, wo ich denn in einer Woche bin. Keine Ahnung. Solange mein Leben noch nicht wieder so viel Struktur und fixe Verabredungen hat, baue ich auf spontane Überraschungen und Fügungen. Damit bin ich jetzt einige Monate ganz gut gefahren, warum nicht auch “back home”.
Mit Sicherheit, wenn ich nun bald anfange zu erzählen, wie “es denn war”, werden mir viele kleine, schräge Situationen und Geschichten einfallen. Vielleicht bekomme ich Lust, auch einige davon hier zu vertexten. Außerdem habe ich noch eines kleines Reportoire an Nicht-veröffentlichen. Daraus entstehen sicher bizarre, belebende Anekdoten, die auch meine Wiedereinkehr in den deutschen Alltag als aufwachende Erinnerung bereichern.
Vor über einem Jahr, als ich Argentinien verlassen habe, bin ich noch einmal vor den Flughafen geflitzt und habe den Boden berührt mit einem “ich komm wieder”. Das hab ich nun erfüllt.
Jetzt schlägt mein “ich liebe Südamerika-Herz” sogar noch mehr für Uruguay. So war mein Abschiedsritual am letzten Abend eine Kerze am Yachthafen mit dankbaren Gedanken für all das, was ich erleben durfte und was mich bis hierher gebracht hat.
Was für eine besondere Zeit,
was für eine mir bunt gestaltete Freiheit in meinem Leben!
Time of my life!
Liebe (La)Tina, jetzt danke zu sagen ist ja ein bisschen prophan, aber es stimmt einfach! Danke dass du dir die Zeit geommen hast, und uns deine Erlebnisse und Empfindungen so anschaulich mitzuteilen! Danke dass du uns nicht nur einen Reisebericht sondern eine intensive Reiseerfahrung geschenkt hast! Und danke dass du wiedergekommen bist, ein Zeichen der Wertschätzung unserers Heimatlandes und deren Mitbewohner, incl. der Spreewaldgurke 😉 Gracias und eine sanfte Landung wo immer deine Rollbahn dich hinführt! Falk, Koh Mak, Thailand
FREIHEIT. VON ALLEM. MIT ALLEN. I LIKE.