All das Leben, was ich gerade habe, ist nach der Zeit, die nun schon so in den verschiedenen Ländern der beiden Kontinente vergangen ist, ein Geschenk, eine Freude, ein Genuss.
Immer mehr genieße ich mich selbst, so auch gestern im Yachthafenrestaurant von Colonia del Sacramento mit Salat, Scampi, Weißwein und Blick auf dem Horizont über dem Rio de la Plata beim Sonnenuntergang. Es klingt vielleicht seltsam, aber: Ich bin mir gerade selbst genug.
Ich sitze zum Abend im Februar im Sommerkleid am Wasser, genieße das Leben, die Abendsonne, meine eigene Gesellschaft und freu mich.
Dazu habe ich dann den therapeutischen Körperwahrnehmungstest zum Nachprüfen an mir selbst angewendet ;). In manch Behandlungen war der Auftrag an meine Patienten: Spür nach, wo gerade die innere Kugel der Spannung, Energie, Aufmerksamkeit sitzt. Stell dir vor, diese Energiekugel kann wandern- vom Becken bis zum Kopf (und bei manchen sogar darüber hinaus). Wo wäre gerade deine Kugel im Körper?
Wenn das geortet ist, erzähle ich gern die Geschichte von dem Harlekin oder Clown, den Kinder zum Spielen haben. Den schubst man einfach an— und dann kippt er hin und her und fällt doch nie um…
Wie bei der Kinderspielfigur ist’s wohl ausbalanciert, wohlig und gesund, wenn es recht weit unten angelagert ist. Die Grundenergie ist verankert.
Es gibt Stabilität, ist flexibel und je nach Situation und Anspruch, existentieller Bedrohung oder bewegender Situation bereit für Variation und Ausgleichsbewegung, ohne seinen inneren Kern zu verlieren, sondern stattdessen ihn als Zentrum wahrzunehmen und zu stärken.
Und da ich ja normalerweise so Aufgaben stelle, während ich parallel die gleiche Frage in mir nachspüre, saß ich auch schon im Cafe in Montevideo, prüfend, und ganz ohne Patienten, bemerkte ich: Kugel wohlig ruhig im Becken.
Selbst in der ungewohnten Situation, auf einem Pferd zu sitzen und zu spüren, wie es losgaloppiert (existentiell?!) konnte ich mein Rückbesinnen auf die “Kugel” anschalten, gucken, wo sie gerade ist und spüren: Ah, geht. Wenn ich sie weiter ruhend im unteren Rumpfbereich habe, dann bekomme ich besser Verbindung zum Pferd und kann auch noch nachspüren, was in eben diesem abgeht. Super Kombi.
Heute gab es eine weitere Gelegenheit, meine Grundruhe zu prüfen.
Nach der Fährüberfahrt nach Buenos Aires war meine Weiterfahrt mit all meinem immernoch “zu viel Gepäck” mit dem öffentlichen Bus. Dafür braucht man in der Stadt eine aufladbare Buskarte (habe ich noch nicht) oder Münzen (generell eher rar hier, weil fast alles Papiergeld ist, also hatte ich auch nicht). So bin ich (weiter auf charmante Latinos hoffend) mit all meinem Rucksackgerödel in den Bus “gehüpft” und habe mit meinem exotischen Spanisch versucht zu erklären: “Ich hab Dollar, ich hab große ArgPesoScheine, aber weder Münzen noch eine SUBE-Karte.” Der Busfahrer wollte aber weder Dollar, noch große Scheine, sondern seine gewohnten Zahlmittel. Schwierig, Charme und Treuhundblick half auch nicht. Also hat er mir die Bustür hinter mir wieder aufgemacht-
doch ich bin stattdessen weiter in den Gang des Buses vorangeschritten. Er: Tür wieder zu und stilles Hinnehmen dessen. Die Fahrt bis zum Stadtteil Palermo dauert mind. 30 min. So stand ich im Bus, wissend, dass auch der Busfahrer weiß, dass ich nicht bezahlt habe- und die Kugel: ruhig, stabil im Becken.
Eine korrekte Deutsche, mit dem Sternzeichen Jungfrau, bleibt locker und bebt auch nicht heimlich innerlich?! Das war der Test: 3 Monate Urlaub haben Effekt, manch “Korrektheit”, vor allem in Ländern wie diesen, kann man ruhig mal locker nehmen. Gracias an den Busfahrer.
Und für all diese Stabilität hier gibt es doch auch gute Gründe in der Ferne- meine Menschen, die mich unterstützen, hinter den Kulissen.
Gestern saß ich in einem gemütlichen Cafe und habe mit einem Herzensmenschen in Deutschland geskypt und in seiner virtuellen Anwesenheit eine Empanada bei meinem uruguayischen Kellner bestellt (und dieser wollte mein Essen gleich zu ihm im Computer ausliefern). Was für eine moderne Welt der Möglichkeiten, verknüpft zu sein, sogar zeitgleich, wenn auch in unterschiedlichen Zeitzonen auf verschiedenen Kontinenten. Das ist ein Geschenk der letzten 10 Jahre im Fortschreiten der Technologie.
Ich kann mich weiter verbunden fühlen mit meinen lieben Vertrauten “zuhaus”, indem ich in einer WifiZone Nachrichten verschicke, Fotos versende und sie teilhaben lasse oder an deren Leben teilnehmen darf.
(An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön für all Euer Feedback auf den verschiedensten Kanälen, auch das bestärkt mich und ist Teil der Kraft “hinter den Kulissen”. Danke!)
Und doch gibt es Momente, da wäre ich gern da. Einfach, um wirklich eine Hand zu halten; eine Stirn zu küssen; jemanden innig zu umarmen; mein frisch geborenes Patenkind tatsächlich im Arm zu haben und ihr etwas heimlich ins Ohr zu flüstern; meine beste Freundin mit einem Blumenstrauß an ihrem Geburtstag zu überraschen; “mal eben auf einen Kaffee” vorbeizuschneien; spontan bei jemanden vor der Tür zu stehen; einen Schneeengel zu machen; eine ordentliche Dusche zu genießen; meine Klamotten je nach Stimmung aus dem Schrank und nicht aus einem vollgepackten Rucksack auszuwählen…
Ich bin so froh über all die Verbindung, die weiter besteht und die mich weiter Teil meiner Freunde und Familie in der Ferne und doch nah sein läßt.
“The time of my life”
Welch ein Geschenk, beides haben zu können. Das freie Leben im Neuen- und die Verbundenheit mit dem Vertrauten.
Auch hier treffe ich auf Menschen aus der Welt, die mir Geschichten aus ihrem Leben erzählen, die mich berühren. Auch hier kristallisiert sich heraus, welches Vertrauen mir entgegengebracht wird in ganz verschiedener Art und Weise- von einen Gedankenanstoß geben dürfen bis zum “eingeladen werden”, Aufgaben zu übernehmen und zu bleiben. Meine Liste an weltweiten Einladungen wird nur wunderbar länger.
Meine Kugel ruht, ich genieße, ich freue mich. Immernoch Frieden, selbst mit mehr Braun als Blau, wenn man am Ufer sitzt und aufs Wasser guckt 😉
“Geniessen kann man nie genug!” (Mein geliebter Konstantin Wecker)