Auszeiten als Blicköffner nutzen

Nach einer vierwöchigen Auszeit mit bewusstem Zelebrieren von Arbeitsfrei und Pause haben http://blog.tina-knape.de/2020/10/22/mach-mal-pause/, bin ich innerlich aus meiner Alltagsroutine gekommen. Es war eine Zeit für neue Eindrücke, andere Länder, andere Regeln (oder keine C-Regeln mehr), viel Natur, Bewegung, frische Luft, leckeres Essen, Familienzeit ohne Termine. Es bot die Möglichkeit, auch fern des eigentlichen Wohnortes das Frühlingserwachen zu beobachten http://blog.tina-knape.de/2019/03/24/ein-auftakt-fruehling-im-innen-und-aussen/ und Kaffee trinken http://blog.tina-knape.de/2019/06/02/kaffee-trinken-fuers-gemuet/ mit wunderbarsten Ausblicken zu zelebrieren. Reisen tut meiner Seele immer gut.

Diese Woche ist nun die Woche des Wiederauftaktes. An Tag 1 verspürte ich eine Offenheit und in gewisser Weise Neutralität, die Raum lässt für alles, was ist. Eine Art Absichtslosigkeit und Selektion von “was braucht es heute hier am meisten?” stellte sich mit Leichtigkeit wie von alleine ein. Bei einem sonst durchgetakteten Patientenplan fühlt es sich gelegentlich auch gehetzt oder (zu) fokussiert an. Die Ausrichtung auf Effizienz und Zielgerichtetheit überwiegt dann. Der Anspruch, ein Optimum aus der Behandlung herauszuholen, entsteht sowohl auf Patienten- als auch auf Therapeutenseite. Auch das gehört wohl phasenweise zu einem Berufsalltag. Doch so ein Nach-Urlaubs-Effekt hilft, die Weite bewusst wahrzunehmen, zeigt auf, worauf auch im Alltag das Augenmerk sinnvoll zu lenken ist. Nichts wollen. Präsent sein. Möglichst erwartungsfrei zu sein, hilft bekanntlich in jeglichen Beziehungen, so auch in der Therapie.

Ein weiteres zu beobachtendes Phänomen war das Wiedersehen von Dauerpatienten nach dieser Zeit. Zwei kannte ich schon aus gelegentlichen früheren Behandlungen der letzten Monate — und beide hatten auf ihre Art in diesem Monat persönliche, motorische Fortschritte gemacht. So ging mein Patient mit einer Oberschenkel-Prothese einige Schritte stabil und frei ohne Stützen und fühlte sich sicher und wohl dabei. Was für eine Entwicklung nach all der mühsamen Therapiearbeit auf einem Plateau, bevor der nächste motorische Erfolgssprung kommt! Ein CRPS-Patient (schmerzhafte, komplexe Handsymptomatik) kam nach Therapie und Selbstdisziplin deutlich besser in Richtung Faustschluss. Ich fühlte mich wie eine alte Tante, die ein Kind nach einer gewissen Zeit wiedersieht und sagt: Du bist aber groß geworden! Das klappt aber schon toll!

Zeitlicher und räumlicher Abstand bringt somit auch eine andere Perspektive — nicht nur auf uns selbst, sondern auch auf die Situation des Gegenübers. Es öffnet eine Objektivität. Dieses Feedback dem anderen gegenüber auch auszusprechen, lohnt sich für alle Beteiligten http://blog.tina-knape.de/2019/04/05/kein-kompliment-zuruckhalten/.

Somit habe ich einen weiteren Grund gefunden, dass es sich lohnt, frei zu haben, zu reisen, Auszeiten zu nehmen und Sabbatical zu beantragen. 😉 In diesen Zeiten lässt sich auch viel leichter, eine To-Be-Liste erstellen http://blog.tina-knape.de/2020/10/15/to-be-liste/. Zusätzlich wird unser Blick dabei anders klar und weit gestellt.

Bei einer Beerdigung hörte ich einmal den bewegenden Satz eines Redners: Nicht das Leben mit Jahren füllen, sondern die Jahre mit Leben.

Viva la vida!

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