In meinem Berufsalltag sowie im Privaten mit meinen Kids fällt mir das Phänomen auf, dass Aktivitäten häufig nicht stimmig zur Situation passen.
Einfaches Einstiegsbeispiel: meine Kinder. Ich bin mit ihnen draußen unterwegs, damit sie sich bewegen und austoben können — auf dem Spielplatz, im Wald etc… zumindest an einem Ort, wo Platz ist und zum Klettern vorgesehene Dinge oder ein Baum sich wunderbar dafür eignen. Doch erstaunlicherweise sitzen sie dort häufig neben mir, essen einen Snack, haben gar nicht so Lust, all die Möglichkeiten zu nutzen. Sie wollen “chillen”.
Kaum kommen wir wieder zu Hause an, geht die wildeste Jagd der beiden über das Sofa und durchs Wohnzimmer ab. Wüsste ich es nicht besser, würde ich vermuten, die armen Kids hatten noch gar keine Chance, sich irgendwo mal zu bewegen. Rumchillen versus Auspowern — beides sinnvoll und nötig — werden in diesem Fall an dafür völlig unpassenden (nach meinem Geschmack) Orten zelebrieren. Mittel und Zweck sind ergo nicht kompatibel.
Eine solch unpassende Zuordnung beobachte ich auch in meiner Arbeit mit Patienten. Manche Geschichten hören sich an, wie “mit der Nagelschere die Hecke schneiden”. Mit voller Wucht und vielleicht auch mit Frust, auf Tasten zu hämmern, als würde derjenige gerade Holz hacken, ist für Gerät wie Körper nicht sinnvoll. Andere schieben mit so viel Power eine PC-Maus hin und her, als wäre es ein voll beladener Einkaufswagen, dessen linkes Rad klemmt. Das passt von der Muskelspannung hinsichtlich der Aktivität nicht zusammen.
Das therapeutische Ziel ist: Die adäquate Intensität für die dazu passende Spannung zu finden. “So viel wie nötig, so wenig wie möglich.” Es braucht die passende Übung und Ausführung dieser zu bestehenden Beschwerde. Körper- und Selbstwahrnehmung ist ein Schlüssel. So ist es wichtig, für beispielsweise (meine) Kids zu lernen: Wobei und wann kann ich mich auspowern — und wann und wo ist Zeit und Gelegenheit zum Rumchillen?
So kann auch jede*r Patient*in lernen: Mit welchem Bereich meines Körpers kann ich Wut, Frust, Ungeduld, Spannung auch kraftvoll auspowern, ohne mir dabei zu schaden? Welcher Ausdruckskanal ist dafür adäquat? Ein Patient mit Fußverletzung sollte möglichst nicht gerade aufstampfen. Und einer mit frisch verletzter Schulter nicht mit der Faust auf den Tisch hauen. Anders zugeordnet (am jeweils gesunden Körperteil) kann das durchaus für das Entladen aufgestauter Energien ganz hilfreich sein. Geheimtipp: Auch die Stimme steht uns als großer, befreiender Kanal mit möglicher Wucht zur Verfügung http://blog.tina-knape.de/2019/03/30/wege-des-ausdrucks-ausdruck-als-weg-2/.
So braucht es eine Zuordnung von Mittel und Zweck. Um eine Treppe hoch zu gehen, braucht es keine Superpower, als würden wir ein Feuer austreten oder einen lehmigen Boden mit dem Spaten umgraben. Auch hier ist die Faustregel für eine fließende, wohlige Bewegung: So viel (Kraft) wie nötig, so wenig wie möglich. Mit dieser These in Anwendung, sieht ein Treppen Hochsteigen beschwingter aus — und hört sich auch deutlich leichtfüßiger an ;). Ferner geht es dabei um Selektivität, um im Fluss sein, um Balance finden zwischen Anspannung und Entspannung. Weil das das Leben ist. Zu lange oder zu viel von einem ist nicht gesund.
So ist auch die Alltagsbewältigung ein guter Parameter, um immer wieder das richtige WIE der Dosierung zu finden. http://blog.tina-knape.de/2021/04/08/die-wichtigkeit-des-wie/
Seien Sie beim nächsten Einsatz Ihrer schmerzhaften Region oder Aktivierung der (noch) schwächeren Muskulatur nach einer Verletzung darüber bewusst, welche Zielsetzung passend und zielführend ist. Passt alles zusammen? Sorgt es für Ausgleich? Viel Erfolg beim Zuordnen und passenden Zusammenpuzzlen.
Sehr feiner Input mal wieder! Und einen schönen Tag..