“Anfassen und Reden”

Um mich herum nimmt die Zahl der Doppelt- und Dreifach- Belasteten sowie die Auswirkungen dessen stetig zu (und das sind nicht nur Eltern von Homeschooling-Kindern, sondern auch Gewerbetreibende, die versuchen, sich mit kreativen Ideen über Wasser zu halten). Aus diesem Grund habe ich unter Freunden, sozusagen im kleinen Rahmen, ein Behandlungsangebot verschickt, bei dem es um ein bisschen Support bzw. eine Erholungsinsel-Stunde auf meiner Behandlungsbank geht.

Zwei Dinge traten dabei zutage. 1. Auch oder gerade für so eine Behandlung findet sich nur schwer Zeit in diesem vollgestopften Alltag inklusive stetiger Kinderbetreuung. Es gibt schon lange keinen Raum mehr für “Lücken” und eigene Zeit. 2. Was kann “Physiotherapie / Heilpraktik” eigentlich, wenn man gerade nicht akut unter einem gebrochenen Bein leidet? Was soll man denn behandeln, wenn man nichts klar Benennbares hat, außer: “Gerade alles (zu) viel”?

Dies ist eine interessante Rückmeldung und ich möchte sie in diesem Blogpost ausführlicher beleuchten. Vor Jahren, im saloppen Kontext bei Parties in Hamburg, mitunter voller stets neuer Bekannter oder eher Unbekannter, kam immer wieder die übliche Frage auf: “Und, was arbeitest Du so?” Bald hatte ich mir angewöhnt, kreativere Antworten zu geben, um nicht im Job-Talk stecken zu bleiben. Was sich etablierte, war: “Mein Job besteht aus “Anfassen und Reden”.”

Das sind wahrlich zwei Komponenten, die im besten Fall zusammenspielen und die so für mehr Raum, Fluss und Heilung in Körper und Geist sorgen, mit dem Ziel, dass sich wieder Wohlbefinden einstellt. Deswegen funktioniert das auch bei einem schmerzhaften, verknirschten Kieferproblem genauso gut, wie nach einer traumatischen Fußverletzung nach einem Sturz vom Fahrrad.

Nun mit der aktuellen Corona-Situation ist “Anfassen” gerade offiziell nicht ganz so alltagstauglich und wird mit einem Sicherheitsabstand von 1,5 m nach den C-Regeln möglichst gemieden. Andererseits gibt es Berufe, in denen es nicht ohne Anfassen geht — und meiner gehört dazu. Auch das ist zugegebenermaßen einer der Schlüssel, weshalb (auch sonst) Heilung stattfindet. Wir Menschen brauchen körperlichen Kontakt. Instinktiv reibt jede Mutter dem frisch auf die Knie gestürzten Kind die schmerzhafte Stelle und spricht ihm gut zu. (Anfassen und Reden ;)). Selbst auf dem Friseurstuhl findet das statt. Und nicht umsonst weiß man, dass es für manche den Therapeuten ersetzt, wenn sie auf ein gut zuhörendes Gegenüber treffen.

Um es konkret zu machen: Im besten Fall kann ein*e Physiotherapeut*in im Körper Spannungen aufspüren, egal, ob da ein konkreter Unfall oder eine OP als Anlass da war oder es eher schleichend oder sogar unbemerkt stattfindet. In “spannenden Zeiten” nutzt unser Körper als Kompensation gern die sog. Körperquerstrukturen, um sich zusammenzuziehen und alles beieinander zu halten und sich zu schützen. Ein zu festes Zwerchfell oder ein zusammengekniffener Beckenboden lassen dabei aber auch die Durchgangswege der Gefäße und Nerven enger werden und verhindern so eine gute Versorgung und einen wohligen Flow. Auch die Atmung fließt nicht mehr frei. Somit ist ein “verspannter Nacken” manchmal nicht nur das Resultats eines unbequemen Stuhls im Homeoffice. Die fehlenden Pausen, die meist reduzierten Bewegungen (weiter große Empfehlung für Zuhaus: http://blog.tina-knape.de/2019/08/09/fuer-zuhaus-bei-schulter-nacken-beschwerden/), die gesteigerte Belastung durch unbetreute oder reduziert betreute Kids / Homeschooling und Co oder eine wirtschaftlich bedrohte Lage erzeugen Spannungen in Körper und Geist. Genau dafür ist “Anfassen und Reden” ein Weg, der mithilft, diesen Berg an Ereignissen und Ballast ein bisschen abzutragen, durchzuschütteln, zu beleuchten… was auch immer es braucht.

Genau dafür sind Behandlungen gut! Es lässt uns mit dieser Form von Kontakt auch in eigenen Bereichen “gesund bleiben”, weil wir uns um uns selbst kümmern, körperliche Unterstützung erfahren, Gelegenheit bekommen, unsere Energiedepots aufzutanken, aus denen wir in diesen besonderen Zeiten mehr Kraft als üblich schöpfen müssen. Also: Es braucht keine frisch gebrochene Schulter, um sich mal auf eine Behandlungsbank zu legen und sich beim “Ent-spannen” helfen zu lassen. Das Durchhalten seit März 2020 reicht als Grund vollkommen aus.

Willkommen!

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