Stellen Sie sich vor, Sie wären Ihr eigener Patient!
Würden Sie gern Ihren Termin wahrnehmen?
Hätten Sie das Gefühl, es ist so, wie Sie es sich vorgestellt haben? Wären Sie eher überrascht, wie “Stereotyp” oder “überraschend anders” es sein kann, was sich alles hinter diesem doch recht weit gestecktem Begriff “Physiotherapie” verbirgt?
Würden Sie sich angesprochen, begleitet, verstanden, wohl fühlen?
Was würden Sie sich wünschen von Ihrem Therapeuten?
Fachliche Kompetenz, Mitgefühl, Zeit, ein offenes Ohr, aktuelles Wissen, Aufklärung über Ihr Krankheitsbild und einen eventuellen Verlauf, wenig Wechsel zwischen den Therapeuten, eine Kooperation mit dem Arzt, ein Selbsterkennen der eigenen Grenzen, ein Einlassen? Oder schöne Räume, gute Lage, ein ausführliches Eigenübungsprogramm, verschmelzende Hände, Präsenz, Ruhe statt Hektik?
Oder hätten Sie eher das Gefühl, Sie sind eine Nummer von vielleicht noch 20 anderen an einem vollen Arbeitstag, die “bedient” werden sollten, weil nun mal in einer engen Taktung wenig Raum für einen ordentlichen Befund, eine persönliche Ansprache und eine individuelle Betreuung bleibt?
Würden Sie sich aus der Sicht des Patienten etwas anderes wünschen, als das, was Sie jeden Tag den Patienten aus den Bedingungen des Therapeuten zur Verfügung stellen?
Es gibt wirklich verschiedene Facetten, die unsere Berufsgruppe bewegt. Eine Schulausbildung und die notwendigen Fortbildungen mit Zertifikaten danach sind relativ teuer – im Vergleich zu dem, was man als angestellter Physiotherapeut verdient. Ein Studium ist mittlerweile möglich, verändert aber noch immer nicht unbedingt das Arbeitsgebiet (oder die Gehaltsklasse), in dem man im Einsatz ist.
Die Arbeit an der Behandlungsbank verlangt viel Präsenz, Gespür, Wissen, Empathie und Klarheit – und die Rahmenbedingungen dafür variieren sehr von Praxis zu Praxis bzw. in anderen Einsatzfeldern der Physiotherapie wie einer Klinik etc. .
Jeder Patient bringt seine eigene Geschichte mit – doch andererseits gilt es “klinische Muster” oder “viszerale Ketten” wiederzuerkennen.
Denn: Die Revolution kommt von innen. Wandel beginnt, wo mehr Bewusstsein erwacht.
Hand aufs Herz: Wären Sie wirklich gern Ihr eigener Patient?
Ein Tag in der Praxis aus und mit dieser Perspektive wird andere Türen öffnen. Sie werden erstaunt sich selbst interessiert zuhören können. Wann gibt es wie welche Erklärung/Ausrede, weswegen Sie von diesem Anspruch in sich selbst wieder abweichen? Lassen Sie sich überraschen, was da alles auftaucht. Von “ich bekomme aber nur 15-20 min für eine Kassenverordnung bezahlt” bis zu “bei der Fülle der Patienten an einem Arbeitstag kann ich nicht bei jedem die gleichen Aufmerksamkeit haben” wird da einiges deutlicher werden.
Doch das individuelle Erleben aus Sicht des Patienten (mit dem fachlichen Wissen eines Therapeuten) sollten Leitlinie und Anspruch zugleich sein.
Dies sollte der Wert sein, der unserer Berufsgruppe und deren Anerkennung Ausdruck verleiht. Das sollte uns anspornen, uns einzubringen, mit dem, was in unserem Wissen und in der Dosierbarkeit unserer Hände liegt. Das sollte die Haltung sein, die uns das Rückgrat stärkt, uns in der Öffentlichkeit zu positionieren.
Das stellt eine andere Kraft und ein wesentlicher Grundstein dar, in eine höhere Gehaltsstufe durch bessere Bezahlung unserer Arbeit zu rutschen und Anerkennung durch unser Tun und Sein zu erhalten.
Das, was uns die Energie gibt, für das zu stehen, was möglich ist, egal, ob gegenüber eines Arztes oder der Krankenkasse- und vielleicht wirklich auch als Status in der Gesellschaft. Wir sollten anfangen (und es ausweiten), so für unsere Patienten und die Rahmenbedingungen zu sorgen, dass wir selbst gern in der Rolle des Patienten wären. Und das mit jeder Faser.