Patagonien.
Dazu fallen mir Stichworte ein wie: Weite, Steppe, lange Busfahrten, warten, argentinisches Steak, Cordero (Schaf) langgestreckt auf einem Grill (witzigerweise war mir das Wort auf der Speisekarte vertraut von “Der kleinen Prinz/ El principito” “…zeichne mir ein Schaf…”), beeindruckende schier endlose, unberührte Natur, Dulce de Leche (die Karamel-Variante unseres Nutellas), ungewohnt große Distanzen, Robben, Pinguine, Staunen, Freude, viele, viele El Calafate-Büsche beim Blick aus dem Busfenster…
Auf die heimatliche Frage, ob wir etwas vom Unwetter in Cordoba mitbekommen haben, während wir gerade in Ushuaia saßen, animierte zu einer Strecken- Recherche, um Distanzen in Argentinien deutlich zu machen. So fanden wir heraus: Die Luftlinie zwischen diesen beiden argentinischen Städten beträgt 2621km. Vorstellbare Beispiele dafür sind: von Sachsen bis Georgien. Weiter noch als von Hamburg bis zur nordafrikanischen Küste oder die Strecke zwischen Frankfurt und Moskau… Somit: Nein, wir haben nichts von wechselnden Wetterlagen in einer anderen Klimazone des Landes bemerkt.
Und es ist bei weitem noch nicht die größte Distanz, die innerhalb Argentiniens möglich ist.
So ist es wohl echt eine körperliche Erfahrung, für ungewohnt lange Zeit in einem Bus zu sitzen und auch zu spüren, wie Stunde um Stunde vergeht, doch am Bild vor dem Fenster sich landschaftlich (fast) nichts ändert…
und nach mehr als einem vollen Tag wird man in einem neuen Busbahnhof ausgespukt. Dort sehen vielleicht die Häuser anders aus, die Luft ist kühler. Doch der Weg dazwischen erscheint einem weiter surreal.
Im Fall von der Stadt El Calafate bestach als neues Willkommen der Lago Argentino mit einem neuen Blauton.
Der See hat unerwarteterweise nach der Zeit auf dem Schiff mein Blau-Spektrum abermals erweitert.
Am nächsten Tag stellte sich am Glacier Perito Moreno heraus, wie und wo dieses Blau zustande kommt. Wow, was für ein eindrucksvoller Gletscher! Und da er täglich 2m vorwärts schiebt, war es mehrmals möglich, es knacken und krachen zu hören und zu sehen und die Wucht dieser mobilen Eiswand zu erleben. Welch unendliche Kraft, wenn Fragmente davon abbrechen- und es sind nicht eben diese, die man selbst ins Auge gefasst oder für wahrscheinlich gehalten hätte.
Auch Ushuaia und der Nationalpark Tierra del fuego (Feuerland) war für mich zutiefst beeindruckend- und einmal mehr ein Ort, an dem, meiner Meinung nach, jeder selbst mal gewesen sein sollte. Danach bekommt jedes Fotobuch, was man sich ansieht, noch mehr Tiefe, Staunen und erwacht anders zum Leben. Und ein bisschen Glitter der Fotografenleistung blättert ab, wenn man sieht, wie wunderschön es einfach in Natura ist. Es ist atemberaubend. Selbst mit einer ziemlich willkürlich hingehaltenen Kamera entsteht ein imposantes Bild, da nun mal die Natur wirklich alles andere als mit ihrer Schönheit geizt.
Für mich war Feuerland auch irgendwie ein ganz besonderes, persönliches Highlight. Es ist für mich Symbol für Ferne, Ausdruck von weit gereist. Mit einem Schmunzeln ist es noch immer mit schönen Erinnerungen an meine ersten Diskonächte im Park in Dürrhennersdorf verknüpft. Eine Draußen-Disko, Park eben ;). (Wir haben ja gern mal die Dinge so benannt, wie sie sind. Es gab eine BuHa-Clique, die traf sich in der BUsHAltestelle und so war Park eben im Park.)
Und dort traf man sich samstags im Sommer aller 14 Tage- als wilder, junger Oberlausitzer. Es wurde 1a getanzt, günstiger Wein und leckerer Eierlikör getrunken. Erste verwegene Blicke und heimliche Küsse ausgetauscht. Es kam zur Anwendung vom Discofox (“1-2-Tip”) aus der Tanzstunde. Und eins meiner Lieblingslieder in dieser Zeit war “Kling Klang” von Keimzeit. Die Band gibts auch noch immer. Und eine Textpassage lautet:
Bloß von hier weg, so weit wie möglich.
Bis du sagst, es ist Zeit, wir müssen
Aus Feuerland zurück, nach Hause,
Im Wiener-Walzer-Schritt.
Und dieses Erlebnis, nun wirklich in Feuerland zu stehen, mit all dieser wunderschönen Natur rundherum und noch immer dieses Lied im Ohr… wow! Jede Textzeile präsent, die Melodie in den Geist eingebrannt- und nun verwirklicht, wahrhaftig vor Ort! Eine weitere Stelle in mir hat Klick gemacht und Erfüllung in der Umsetzung gefunden.
An diesem Zipfel der Welt kommt einiges zusammen.
Die Sehnsucht der Freiheit in den Kindern der DDR? Der Zauber Ushuaias, der südlichsten Stadt der Welt? Als Symbol der Ferne und das wahrhaftige Tor zur Antarktis?
Wie hat es mein ehemaliger Trainer Franz so schön geschrieben: Ich sei auf Stellvertreterreise.
Keimzeit mit Kling Klang hat sicher ein erstes Samenkorn von Fernweh gelegt. Ich freue mich nun über das Ernten der Frucht. Der Zauber Feuerlands wird mir im Herzen bleiben.
In den Nationalparks Argentiniens kann man auch mit verfestigen Konzepten aufräumen: Pinguine leben nicht nur im Eis, sondern auch am heißen Strand der Peninsula Valdes und auf kleinen, kühleren Inseln vor Ushuaia. Robben liegen gern faul rum. Die Machos sind groß, behebig und haben mindestens 20 Weibchen in ihrem Harem mit allerhand verspielten, badenden Jungtieren.
Orkas gibts wohl im Meer, sieht man leider aber nicht so deutlich, wie es manch Postkarte verspricht. Trotz einer Stunde aufs Wasser starren und hoffen, dass ein Orka hungrig des Weges kommt (wobei er ja dann leider auch eins der süßen kleinen Robben schnappen wollen würde), bleibt dieses verfressende Naturschauspiel wohl eher tagelang ausharrenden National Geographic Teams vorbehalten… um dann besondere Momente für besagte Postkartenmotive einzufangen.
Was sicher ein weiterer Punkt zum landesspezifischen Erleben ist- in Argentinien (und Uruguay) isst man spät. Also nicht 20 Uhr. Auch nicht 21 Uhr. Nein, man wird auch noch eindeutig als Tourist erkannt, wenn man vor 22 Uhr irgendwo um ein Restaurant schleicht und vorsichtig fragt, ob es vielleicht auch schon jetzt was gibt?! Das ist leider auch in den bergigen und kühleren Regionen des Landes so. Somit gilt es den Zuckerhaushalt mit verschiedenen Keksvorräten gut im Schwung zu halten oder einfach mal ohne Scham auch 5 min vor 20 Uhr vor der noch verschlossenen Tür eines Restaurants zu warten, um dann als erster (und typisch deutscher) Gast einzutreten.
Einen Vorteil hat es: Um diese “frühe Uhrzeit” gibt es mit Sicherheit noch einen Tisch, auch ganz ohne Reservierung. Und letztlich gibt man den gern wieder her, wenn Stunden später die hungrigen Argentinier auf den nächsten freien Platz warten.
Patagonien: weit, fleischlastig- lecker, auf bizarre Art wunderschön.
Mit wahrem Grund ein weltweit bekanntes Reiseziel!