Wenn ich so meine eigenen Zusammenfassungen angucke, die aus mir rausblubbern, wenn wieder einige Tage vergangen sind, dann frage ich mich: Schreib ich zu rosig? Vergesse ich die dunklen Seite der Reise zu beleuchten? Müsste ich denn nicht genauso ausschmücken, was auch zwischendurch schwierig ist? Gibt es wirklich so viel Erfüllung?
Wenn ich es in Waagschalen lege, dann überwiegt deutlich die freie, friedliche, freudige, begeisterte Seite.
Ich hatte vielleicht zwei drei Tage Krise in meiner bisherigen Reisezeit- zum Beispiel, als ich in Singapur nicht einfach so in mein Hotel einchecken konnte (daweile wollte ich nur endlich duschen, weil mich im Nachtbus irgendwelche Flöhe aufessen wollten und dicke Bisse hinterlassen hatten). Meine Kreditkarten waren hingegen beide gesperrt. Kurz vor Weihnachten zum deutschen Morgen gegen 6 Uhr musste ich bei meinen beiden Banken anrufen, um an mein eigenes Geld zu kommen. Bei aller tollen Werbung über die “weltweit kostenfrei Geld abheben” Onlinebanken hatte ich eher eine freudlose Erkenntnis. Wenn es nicht das Gehaltskonto ist (wer sollte mir im Moment auch Gehalt zahlen?!), bekommt man nur 500 Euro Verfügbarkeit für die Kreditkarte pro Monat. Und mit der Kreditkarte hebt man weltweit kostenfrei ab. Bei dem Limit hingegen macht man nicht so große Sprünge… vor allem nicht, wenn man darüber vorher keinen blassen Schimmer hat, einen Flug bucht, Weihnachtsgeschenke online bestellt und ich das erst somit mitten auf Reisen festgestellt habe.
Das war kein schönes Gefühl, Geld zu haben, aber nicht dran zu kommen und deswegen mit den vorhandenen Scheinen im Portemonnaie zu geizen, sodass ich bei jedem Saft überlegt habe, ob der jetzt noch ins Budget passt oder nicht. (Andererseits, es spart ;))
Es hat sich dann aber noch vor Aufstieg aufs Schiff wieder freischalten lassen. Mein Hotel hat mich eingecheckt, ich hab mir die Flöhe abgeduscht und von da an wussten die Rezeptionisten wenigstens, wer ich bin.
Teil 2 der “Bankenstory” war meine “clevere” Idee, mein Onlinebanking mit einer persönlichen Zahlenkombi zu versehen. Und so geheime Zahlen sollte man ja niemals aufschreiben. Habe ich auch nicht. Doch dann sollte man diese zumindest im Kopf behalten. Habe ich aber auch nicht. Nach über einen Monat ungenutzt während der off-Zeit auf dem Schiff hatte ich keinen blassen Schimmer mehr, was ich mir denn damals pfiffig-geheimes einfallen lassen habe… Somit brauchte ich wiederum hilfreiche Unterstützung in Deutschland, indem nun mein Name an einem befreundeten Briefkasten steht und ich nach Erhalt der neuen PIN in einem kleinen persönlichen Matherätsel (und daweile habe ich es doch so gar nicht mit Zahlen ;)) wieder zusammensuchen konnte, was wohl meine neue offizielle Zugangsnummer ist.
Also die Bankenverquickungen waren vielleicht bisher wirklich das Nervenaufreibenste auf meiner Reise.
Sonst bin ich zum ersten Mal für ein paar Tage erkältet, so mit allem, was man halt bei einer Grippe hat und dann damit doch lieber auf dem Sofa rumliegen will.
Das zelebriere ich gerade- und zugegeben wär ich zum krank sein doch gern in meinem eigenen Bett und vier Wänden, andererseits, noch immer im Haus meiner Freunde, mit einem sich wie von allein neu füllenden Kühlschrank mit sonnengereiften Früchten und Tee mit Honig ist es schon auch der dafür geeignetste Platz unterwegs ;).
Und ich versuche, bei all der Zeit, die ich habe (ein Freund meinte neulich: “Du bist reich an Zeit!” Das fand ich schön), auch mir Zeit zu nehmen, krank zu sein.
Somit lebe ich weiterhin medikamentenabstinent, wobei ich alles dabei habe (und auch noch Vick nachgekauft (hier gibts das mit V ;))), und beobachte auch das, was da so meinen Körper lahmlegt. Ein bisschen blöd ist, dass ich keine Lust auf Bewegung habe. Bedauerlich auch, dass der Kopf nicht so richtig klare Sachen fabriziert. Doch ich hänge einfach rum und bin auch mit Zeit einfach mal krank. Schließlich muss ich keine Patienten absagen, kein Programm erfüllen, nö, einfach mal dem Körper die Ruhe geben, die er sich gerade einfordert.
So erlebt meine beste Freundin gerade akuten Baby-ist-wach-in-der-Nacht- Schlafmangel und es zerrt an den Kräften (und das dauert noch ein bisschen, bis es groß ist), da kann ich wohl mal 4 Tage mich dem Hingeben, was mein Körper gerade zur Schau stellt. Solidarisches Mitfühlen von Schlappheit über Kontinente.
Meine Freunde hier schauen ein wenig suspekt. “Die Deutsche! Nimm doch einfach Ibuprofen, dann gehts schneller.” Doch ich hab ja gerade keinen Grund zur Eile. Es dauert halt, so lange es dauert.
Erstaunlicherweise ist zeitgleich der gigantische Blick in die Ferne auch verschleiert. In 200 km Entfernung (also nach argentinischer Sichtweise “um die Ecke”) hat es massiv gebrannt- und die Rauchschwaden hängen nun auch seit 2 Tagen an den Bergkuppen und nehmen die Schärfe des Horizonts. Gegen Abend ist die Sonne glutrot hinter den eigenwilligen Wolken, noch Stunden bevor es zum echten Sonnenuntergangsrot geht. Außen wie innen.
Ich freu mich über die Nachrichten, dass es einen Hauch von Frühlingserwachen in Deutschland gibt. Und es gibt innerliche erste Ausflüge, wann wohl der Zeitpunkt gekommen ist, wieder nach Deutschland zu fliegen. (Und ungefähr zwei Freunde pro Tag fragen nach, wann ich denn “wiederkomme”, das ist schon auch ganz wunderbar. Universelle Antwort an alle hier: Ich weiß noch nicht. Wenn es innen “Klick” macht, dass es nun reicht und ich bereit bin für das nächste Kapitel Leben, dann komm ich wieder.)
In den letzten Tagen habe ich mich gefragt, wie gut wir denn als Menschen wirklich so mit der “Erfüllung” leben können? Wie viel gibt es in uns einen Teil, der gern noch ein bisschen einer unerfüllten Sehnsucht nachhängt? Welcher Art, das ist sicher vielfältig. Der Sehnsucht, ein größeres Haus zu haben. Der Sehnsucht, woanders zu leben. Der Sehnsucht, eine erfüllte oder einfach eine (andere) Partnerschaft zu haben. Der Sehnsucht, auf Reisen gehen zu können, so lange, wie man will. Der Sehnsucht, einen Job zu finden, der einen ausfüllt. Der Sehnsucht, dass es einfach gerade gut ist, so wie es ist. Der Sehnsucht nach Lebendigkeit.
Der Sehnsucht nach irgendwas, was wohl unerfüllt bleiben wird, weil die Sehnsucht an sich, sich fälschlicherweise so lebendig anfühlt.
Ich glaube, mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen leben recht viele von uns in der Welt der Sehnsucht.
Und Sehnsucht ist nicht gleich Vision.
Doch wie ist es hingegen mit der Erfüllung?
Wie ist es wirklich, wenn sich alles erfüllt, was man sich von Herzen wünscht?
Ich fühle mich dem gerade “nahe dran”, dem Erfüllten, und versuche klar auseinanderzuhalten, was als “Bedenken” sich nur dazwischenschiebt, weil die Welt der “Sehnsucht” so viel vertrauter ist als diese der “es ist wirklich gerade alles genau so wunderbar”!
Innnendrin ist es in mir gerade sehr voll. Alles da, was ich mir immer gewünscht habe. Großartige Aussichten auf meine nächste Woche, ab dann mit wunderbarer Begleitung gen Süden weiterzureisen. Feuerland ruft. Innere Visionen einer erweiterten beruflichen Perspektive. Freunde in der Welt, die mir ein Zuhause bieten- und Freunde und Familie “in der Heimat”, die sich freuen, wenn ich wieder bei ihnen mit am Tisch sitze und neue Geschichten erzähle.
Das ist Erfüllung.
Und dann überkommt mich wieder große Dankbarkeit für dieses Leben mit all seinen Möglichkeiten.
Und wiedermal: annehmen, empfangen, das auch noch ganz so zulassen, keine komischen Ausreden finden, Nebenpfade hervorheben, die doch auch vielleicht noch gegangen werden wollen… sondern durchatmen und sich weiterfreuen, was alles schon da ist. Hier und Jetzt. Wirklich innen gucken, was ich will und was nun erfüllt sein kann.
Dieses Wechselspiel des Zögerns vor der Erfüllung beobachte ich gerade in mir.
Und immer wieder diese vielschichtigen, verschleierten Verführungen, die sich innen einschleichen, doch die Sehnsucht nach “irgendwas anderem” zu nähren.
So sehe ich es selbst gerade als Aufgabe, wachsam zu bleiben und zweimal, dreimal, viermal zu gucken, was für eine Stimme in meinem Kopf Zeug säuselt, welcher Teil da gerade spricht. Damit ich nicht der Vertrautheit der Sehnsucht erliege, sondern mich der Erfüllung hingeben kann.
Liebe Tina,
ich wünsche dir und deiner “wunderbaren Begleitung” eine sehr schöne Zeit auf eurer Reise in den Süden.
Grüße aus Mitteldeutschland
Hallo Weltenbummlerin,
aus den heimatlichen Gefilden, dem Ursprung deines Daseins (Beiersdorf) möchten wir
dir ernst gemeinte Genesungswünsche, mit einem Hauch von Frühling, zukommen lassen.
Du wirst den Infekt hoffentlich mit südlicher Sonne, den vitaminreichen Früchten und der
liebevollen Zuwendung deiner Gastgeber überstehen und bald gen Feuerland auf-
brechen, um neue Abenteuer zu erleben, einfachen und besonderen Menschen zu be-
genen,Landschaften zu verinnerlichen,von denen wir ein Leben lang nur träumten.
Du absolvierst sozusagen eine ” Stellvertreterreise ” für uns, denn dieses Fernweh und
das Suchen nach anderen Horizonten in und um uns hätten wir auch gern gehabt.
Aber, das ist das Schicksal der frühen Geburt!!
Wir sind schon gespannt auf deinen nächsten Bericht!!
LiebeGrüße von Haui und Franz.