Nichtstun oder Vollsein?

Was bleibt übrig, wenn das Tun wegfällt?
Kommt was hinter dem RumhängGeniessFreihab-Modus? Ist da ein Spirit, ein Antrieb, ein Sein, was da schon in uns wohnt oder erwachen kann, wenn es nicht mit Alltag und Struktur überdeckt ist?!

Wer bin ich, wenn ich nicht Tina, die (…macht, schreibt, sagt, arbeitet, wohnt, reist, plant, organisiert) … bin?
Was für eine Identität hat man als Reisender… mit open end? Man kommt von irgendwo, fährt nach irgendwo… nur die wirklich smarten Gesprächspartner fragen sowas wie: Was ist das Ziel Deiner Reise? Und wenn man selbst das in Frage stellt?! Braucht es immer einen Sinn?
Doch wie schwierig ist es auch in einem sonst durchgetakten Tag, den man als Alltag erlebt, nun in ein selbstbestimmtes “Freihaben” zu schlittern.
Auch hier hat man leicht die Chance, von einem buddhistischen Kloster zur nächsten Hindu-Verbrennungsstelle zu pilgern. Den nächsten Bus zu buchen, um noch eine Stadt zu besichtigen.
Doch einfach mal (um ein bisschen ordinäre Sprache zu benutzen) “mit seinem Arsch hocken zu bleiben”… das ist, aus der “doing-Welt” kommend, gar nicht so ohne.
Heute ist Samstag, somit Wochenende. Da darf man offiziell ausschlafen (doch die Hunde bellen auch schon um 6 und nach drei Wochen Urlaub ist man auch irgendwann nicht mehr müde ;)). Da wäscht man sein Auto (hab ich verkauft). Da geht man auf den Markt (hier ist auf jedem Straßenzug zu jeder Tageszeit so eine Art Markt- auch wochentagsunabhängig). Da trifft man Freunde (das ergibt sich hier recht flott, dass man einfach mal so in einem Cafe sitzt- und schwupp, schwatzt man mit seinem Tischnachbarn (oder noch besser, man setzt sich einfach gleich dazu) auch ganz ohne Verabredung und festen Uhrzeiten, zu denen man pünktlich da sein muss.). Man kann mit “alten Freunden” chatten, doch Uhrzeitverschiebung und deren fleißiges Tun reduziert die Chance auf einen live-Chat.
Man kann was lesen, was schreiben, in irgendeinem Projekt mitarbeiten (dann ist es ja wieder tun…).

Was vielleicht am besten geht, ist einen Tee trinken, am liebsten hot Gingerlemonhoneytea. Nicht nur, weil er lecker ist, sondern weil es selbst in englisch so ein schönes langes Wort ergibt, was doch sonst immer nur uns Deutschen nachgesagt wird. Tee trinken- und essen. Das ist wohl “was tun”, aber doch nichts tun. So wie reden. Oder spazieren. Irgendwie macht man was- aber es wirkt nicht so auf den ersten Blick.

In so einem Land wie Nepal könnte man auch noch wunderbar meditieren. Oder zur Massage gehen. Oder einen Schal kaufen als Weihnachtsgeschenk für die Familie zuhause. Oder Blog schreiben und davon erzählen, was man hier so alles Spannendes erlebt.

So werde ich hier wohl gleich einfach nochmal einen Tee trinken gehen, mit wunderbarem Blick auf die Boudhanath Stupa und darüber nachsinnen, wie lange man wohl das “Nichtstun” (es heisst ja auch nicht “Vollsein”) zelebrieren kann, ohne nicht doch wieder irgendwas zu machen.
Vielleicht, wenn man auch dem Raum gibt, gibts auch da was “dahinter”? Vielleicht setzt man sich dann aus einer anderen Haltung heraus wieder in Bewegung?
Gestern abend habe ich es schon mal probiert, mich wirklich erst zu bewegen, wenn es tatsächlich innen entstand. Nicht als “Ablenkung”, sondern als Impuls. Und es fühlte sich an wie “just in the flow”- und zack lief mir als Resultat ein humorvoller Engländer vom Vortrag über den Weg. So haben wir dann beschlossen, einen Wein zusammen zu trinken. Und ein bisschen über das Sein geplaudert.

7 Kommentare zu “Nichtstun oder Vollsein?

  1. Bengt

    Liebe Tina,

    also das sind ja jetzt voll filosofische Fragen und weiss ich auch nicht gleich eine Antwort drauf. Vielleicht isses ja auch die Höhenluft. Auf jeden Fall schon mal Arsch hoch, wenn Du das selbst willst ist besser als irgendjemand hat hineingetreten, als Generalimpuls.
    Von daher viele schöne Stunden mit dem englischen Langworttee und wer sich so dazugesellt. Also erst abwarten, dann Tee triken und nich wie hier alles gleichzeitg.

    Love and light
    Bengt

  2. Markus

    Liebe Tina, vielleicht ist es die Muße, die übrigbleibt wenn die Fremdbestimmung durch Strukturen nicht mehr da ist. Muße ermöglicht Neues und Motivation. Muße steht zwar nicht unbedingt fürs Nichtstun, aber ich glaube, dass man sie erst dann spürt.

  3. Rolf

    Liebe Tina,

    Sein im Alltag. Nichts tun. Du hast es ja selber erlebt als wir beim Ingwer Tee und Kuchen am Stupa sassen. Da sitzen wir da und sind Tee und Kuchen als der alte Nepalesische Journalist Ram an unseren Tisch kommt und mir anbietet unser neues Kaffee Logo mit ein wenig Werbetext in seinem Magazin zu veroeffentlichen. Kostenfrei! Einfach so. Wie schoen, dass du das miterlebt hast, weil mir das hier in Nepal ja immer und immer wieder passiert, ohne was dafuer zu TUN, es geschieht einfach, hundertfach, tausendfach, seit ich hier BIN.

  4. Vanessa Jebens

    Liebe Tina,
    wir haben heute meinen Schwiegervater beerdigt. Es war schön und traurig zugleich. Wieder einmal ist mir deutlich geworden, wie endlich das Leben doch ist und wie wichtig, jeden Tag bewusst und mit Freude (so oft es geht) zu leben.

    Was für eine wunderbare Inspiration von dir “seinen Arsch” erst zu bewegen, wenn der Impuls dazu kommt. Werde ich auch mal ausprobieren. Mal schauen wie es sich hier im Alltag umsetzen lässt. Aber wo ein Wille, da ja bekanntlich ein WEg.

    Ich umarme dich von Herzen, du fehlst mir sehr mit deiner klaren geradlinigen Art
    Vanessa

  5. Silke

    Freue mich immer Deinen Blog zu lesen bei uns war typischer erste Advent Plätzchennacken und dann Tiere machen dan kam meine Auszeit alle waren noch beim Fußball und ich habe mir ne Auszeit in der Wanne gegönt und gelesen dann habe ich Deinen Blog gelesen und meine Stimmung war super mach weiter so liebe Grüße Silke

  6. Peggy

    Danke meine Liebe für die Inspiration. Mit einem Lächeln im Gesicht lass ich den Text mal nachwirken, natürlich bei nem Tee;)

  7. nina

    Love it my deer! Und ich uebe mich im selben, die Dinge nicht im Tun sondern im Sein einfach geschehen zu lassen…. kostet weniger Kraft und macht mehr Spass!

    Dir weiterhin ganz viel Spass, und so schön zu wissen wo du dich gerade herumtreibst.
    Big hugs, Nina

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