Über Chakras/ Chakren hört man relativ viel, aber worum handelt es sich im Endeffekt dabei?
Chakras kommen in vielen medizinischen und spirituellen Systemen vor. Der Name ‚Chakra‘ kommt aus dem yogischen System und wird im Tantra ausführlich beschrieben.
Um die Chakras zu verstehen, braucht man einen kleinen Einblick in die yogische Anatomie. Diese beinhaltet im Vergleich zur westlichen Anatomie noch weitere Elemente; unter anderem etwas, was Energiekörper genannt wird. Der grobstoffliche Körper, was wir als physischen Körper bezeichnen, ist nach yogischer Sicht inaktiv und muss durch die Lebensenergie, welche auch Prana genannt wird, belebt werden. Dieses Prana fließt im Energiekörper durch feinstoffliche Kanäle, die Nadis. Vielleicht kennen manche das Meridiansystem aus der chinesischen Medizin, welches dem Yogischen sehr ähnelt. Es gibt sehr viele Nadis; die Yogis sprechen in manchen Schriften von 72 000, welche sich in bestimmten Knotenpunkten treffen. Besonders große Knotenpunkte werden Chakras genannt. Chakra bedeutet wörtlich übersetzt Rad und soll Energiewirbel beschreiben, welche fortgeschrittene Yogis an den entsprechenden Stellen im Körper während der Meditation sehen konnten. Im klassischen Yoga wird hauptsächlich mit 7-8 Chakras gearbeitet, welche entlang der Wirbelsäule und im Kopfbereich lokalisiert sind.
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Als Energie-Regler beeinflussen die Chakras bestimmte Aspekte unserer Persönlichkeit, aber auch physische und energetische Aspekte. Sie sind in der Nähe wichtiger Drüsen, Nervengeflechte oder anderen wichtigen physischen Strukturen lokalisiert und haben somit einen unmittelbaren Einfluss auf diese.
Hier eine kurze Übersicht über die wichtigsten physischen und psychischen Eigenschaften jedes Chakras:
Muladhara
Lokalisierung: Männer: Beckenboden zwischen Skrotum und Anus / Frauen: Eingang Muttermund
entsprechendes Hormonsystem: Nebennieren (Angst-/Flucht-Reflex), Keimdrüsen
Einfluss auf den physischen Körper: Ausscheidungsorgane (unterer Darm), Genitalsystem, Beine, Füße, Nervenbündel (Plexus coccygeus)
Persönlichkeitsaspekte: persönliche Sicherheit, materieller Besitz, Sexualität und Nachkommenschaft
Swadhisthana
Lokalisierung: am unteren Ende der Wirbelsäule
Einfluss auf den physischen Körper: Beckenbereich, Gesäß, Genitalsystem
Korrespondiert mit dem Nervengeflecht der Prostata und Gebärmutter und Vagina am Ende der Wirbelsäule (Plexus sacralis)
Entsprechendes Hormonsystem: Keimdrüsen
Persönlichkeitsaspekte: Freude, Humor, sexueller Genuss, Suche nach sinnlichem Vergnügen
Manipura
Lokalisierung: Mittlerer Teil des Rumpfes
Einfluss auf den physischen Körper: Verdauungsystem (Magen, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse, Milz, Dünndarm), Körperwärme-Regulation, allgemeine Energie
Sonnengeflecht (Plexus solar)
Entsprechendes Hormonsystem: Nebennieren, Inselzellen (Bauchspeicheldrüse)
Persönlichkeitsaspekte: persönliche Macht, dynamisches Handeln, Selbstwertgefühl
Anahata
Lokalisierung: Brust
Einfluss auf den physischen Körper: Herz, Lunge, Herzgeflecht (Plexus cardiacus)
Entsprechendes Hormonsystem: Prolaktin-Sekretion der Hypophyse, Thymusdrüse, Lymphknoten
Persönlichkeitsaspekte: Liebe, Mitgefühl, Emotionen, Gefühle
Vishuddhi
Lokalisierung: Rachenraum
Einfluss auf physischen Körper: Kehlkopf, Nackenbereich
Halsgeflecht (Plexus cervicalis)
Entsprechendes Hormonsystem: Schilddrüse, Nebenschilddrüse
Persönlichkeitsaspekte: zwischenmenschliche Beziehungen, Kommunikation
Ajna
Lokalisierung: Liegt am oberen Ende der Wirbelsäule (Medulla Oblongata)
Einfluss auf physischen Körper: Zentralnervensystem
Entsprechendes Hormonsystem: Enger Zusammenhang mit der Zwirbeldrüse (Epiphyse), Melatonin- Pinolin Ausschüttung
Persönlichkeitsaspekte: Intellekt, Intuition, Weisheit, psychische Fähigkeiten
Die letzten beiden Chakren fallen mit ihrer Funktion etwas aus der Reihe, werden aber trotzdem kurz erwähnt:
Bindu
Lokalisierung: Hinterkopf (Brahmanen lassen dort ein Haarbüschel wachsen, Christliche Mönche tragen dort ihre Tonsur)
Sahasrara
Lokalisierung: Über dem Scheitel
Eigentlich kein Chakra – Ort der Erleuchtung
Entsprechendes Hormonsystem: Hirnanhangdrüse (Hypophyse)
Laut den yogischen Lehren ist jedes Chakra in uns Menschen schon auf seinem höchsten Entwicklungsstatus. Allerdings können ihre Funktionen durch psychische oder physische Ungleichgewichte eingeschränkt werden. Aus der Sicht des Yoga entstehen die meisten Krankheiten zunächst auf feinstofflicher/energetischer Ebene bevor sie sich im grobstofflichen Körper manifestieren. Meist sind Gedanken und Gefühle verantwortlich für die Beeinträchtigung der Chakras. Diese können die Chakras mit Trägheit (Tamas) oder Leidenschaft (Rajas) ‚verunreinigen‘.
Um das an einem Beispiel zu verdeutlichen, nehmen wir das Muladhara Chakra. Die zugehörigen Persönlichkeitsaspekte diese Chakras sind persönliche Sicherheit, materieller Besitz, Sexualität und Nachkommenschaft. Trägheit in diesem Chakra ist somit unter anderem die Ursache für Angst, da das Gefühl der persönlichen Sicherheit ‚blockiert‘ ist. So kann es bei sehr viel Trägheit sogar dazu kommen, dass sich die entsprechende Person nie sicher fühlt und die Welt als einen Ort der ständigen Gefahren wahrnimmt. Das kann in schweren Fällen zu einem defensiven-aggressiven Verhalten führen. Solche Zustände haben ihre Ursache meist in schweren Traumata. Im Gegensatz kann ein Übermaß an Leidenschaft in diesem Chakra zu übermäßiger Aktivität und einer sehr leidenschaftlichen Herangehensweise, sich Sicherheit zu schaffen, führen. Das kann den übermäßigen Erwerb von Eigentum, sozialem Status und Beziehungen mit dem Ziel der Absicherung von sich selbst und der Familie zur Folge haben. Oft sind Trägheit oder Leidenschaft ein Resultat eines ungelösten Konflikts in Bezug auf die Eigenschaften des entsprechenden Chakras. Es fehlt an Klarheit (Sattva), um zu sehen, was das richtige Maß an Sicherheit ist, um welches wir uns bemühen sollten. Dr. Rishi Vivekananda beschreibt, dass ein wirklich ausgeglichenes Muladhara Chakra (reines Sattva) zu einem Gefühl der ständigen Sicherheit führt.
Bei Problemen im Muladhara Chakra können auf physischer Ebene entsprechend Füße oder Beine (oft Fehlstellungen), die Ausscheidungsorgane und die Sexualität betroffen sein. Der Körper kann uns somit helfen, unsere Problemstellen zu finden, wenn wir uns mental dieser nicht bewusst werden. Yogaübungen wirken auf den grobstofflichen und feinstofflichen Körper und sind somit die Methode der Wahl, um mit den Chakras zu arbeiten.
Da die Chakren zum feinstofflichen/energetischen Körper gehören, können sich auch durch feinstoffliche Therapien gut beeinflusst werden. Diese wirken direkt auf die Schwingung des entsprechenden Chakras und können somit unterstützend wirken, ein Chakra wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Zu den gängigsten feinstofflichen Therapien zählen Edelstein-Therapie, Farbtherapie, Aromatherapie und Klangtherapie (wie z. B. Klangmassagen http://blog.tina-knape.de/2021/09/16/klangschalen-schwingungen-und-chakren/). Besonders der Klangtherapie kommt im Yoga eine besondere Rolle zu, da die Yogis davon ausgehen, dass das gesamte Universum aus Klang besteht. Mantras, welche auch mit Klang arbeiten, sind eins der wichtigsten Heilmittel für den Geist und feinstofflichen Körper.
Meistens ist allerdings auch noch eine längere Auseinandersetzung mit dem ‚Konflikt‘, beispielsweise in Form von Meditation oder einer anderen Therapieform erforderlich, damit derselbe nicht weiterhin im Unterbewusstsein verborgen bleibt und immer wieder aufs Neue für Ungleichgewichte sorgt.
Nina Luckgei
Dr. nat., Ayurveda Therapeutin, Yogalehrerin und AyurYogatherapeutin
Quellen:
Yoga Psychologie, Dr. Rishi Vivekananda, Ananda Verlag 2017
Kundalini Tantra, Swami Satyananda Saraswati, Anada Verlag 2008
Sehr interessant und aufschlussreicher Beitrag – auch die Herleitung aus den Tantra. Gerne mehr!