Innere Haltung eines Therapeuten – Fachbeitrag von Tina Gärtner
In unserem Beruf als Therapeut/inn/en sind wir vielschichtig gefördert.
Einerseits gibt es neben der zeitlichen Taktung und Verschiedenartigkeit der Patienten und ihrer Symptome auch noch einen Dschungel des großen Fortbildungs- und Spezialisierungs-Pools und dem sich stetig ausweitenden organisatorischen Druck von Abrechnungsposten, Verordnungsschlüsseln und der eigenen Rentenabsicherung.
Ganz losgelöst von all diesen Aspekten unseres Berufes ist die grundsätzliche Fragestellung nach dem therapeutischem WIE und WARUM sehr bestimmend- bei so einer Bandbreite an Menschen, die wir Tag für Tag erreichen.
Mit welcher Haltung treten wir an die Behandlungsbank?
In wessen “Auftrag” fühlen wir uns (des verordneten Arztes, des Patienten, des Regelwerks des “Therapiekonzeptes”, des eigenen Wissensstandes und Gespürs)?
Was ist für die eigene Entwicklung in uns selbst als Mensch und als vielschichtiges Gegenüber für unsere Patienten mitentscheidend?
Wann und wie findet Perspektivwechsel und Selbst-Verständnis statt?
Was ist unsere Motivation und Haltung, mit der wir unsere Arbeit verrichten?
Wie breit ist der Einsatz- und mit welcher Ausrichtung?
Innere Wachsamkeit
Mit eigener innerer Wachsamkeit und dem Bewusstsein, dass auch wir uns mit unseren Sichtweisen und (therapeutischen) Ansätzen stetig im Wandel befinden, entsteht eine andere Ausrichtung in uns und auch für unsere Patienten.
Es wird Zeit, einen Boden auch dafür zur Verfügung zu stellen, neben den eigenen wirtschaftlichen Sorgen bzw. Eigennutz oder einem Gefühl von mangelndem Status unseres Berufsstandes, selbst wieder klarer zu sehen und in sich die eigene innere Haltung zu hinterfragen.
Unser Beruf birgt wohl weit mehr als Knochen, Muskeln, Faszien und Rhythmen im Körper des Patienten in Bewegung zu bringen…
Kontakt, Verbundenheit, Wachstum
Wenn man unseren Beruf abstrahiert, verbringen wir gemeinsame Zeit mit Menschen in einem unterschiedlich funktional oder wohlig gestalteten Raum. Und: Wir fassen an und reden.
Egal, in welchem Kontext wir “Techniken anwenden” oder nach welchem “Therapiekonzept” wir arbeiten: Es treffen (mind.) zwei Individuen aufeinander, die im besten Fall miteinander in Kontakt gehen. Fritz Perls sagt: Kontakt heilt.
So ist auch Prof. Gerald Hüther (Neurobiologe und Potentialunterstützer) mit einprägsamen Einsatz der Überzeugung: Verbundenheit und Wachstum sind unsere menschlich-tragenden Elemente. Wir haben dies als Information ab dem frühesten Moment des Seins in uns, wenn Eizelle und Samenzelle aufeinandertreffen und sich vereinen.
Jede gesunde Zelle und jeder Mensch kennt in sich (zumindest unterbewusst) das Gefühl, zu wachsen und verbunden zu sein.
Unter diesem Aspekt bekommt unsere Arbeit noch einen vollkommen anderen Pluspunkt-
wir stellen Verbindungen her. Verbindung über den körperlichen Kontakt, Verbindung über unsere Präsenz, die wir zur Verfügung stellen-
und im besten Fall fördern wir die motorische, nervale, sensible, vaskuläre, fasziale Verbindung intra- und interzellulär.
Der Effekt ist: Wachstum und Wandel, Unterstützung der Heilung, Anregung zu einer wiederhergestellten Selbstorganisation, Linderung von ablenkendem Schmerz, verbesserte Körperwahrnehmung…
Nun, wenn wir uns in unserem Beruf (und all den anderen vergleichbaren medizinischen Berufen) darüber mehr gewahr sind, was wird das wohl in Bewegung bringen- in jeder Zelle, in uns, im Gegenüber und unserem Status?
Mit welcher Haltung treten Sie (morgen) an die Behandlungsbank??