Wie häufig setzen wir (auch unbewusst) voraus, dass wir schon zu wissen scheinen, was der andere meint. Und gleichzeitig: Kennen Sie die Situation, dass Sie zu einem Wort eine Assoziation haben und diese trifft so gar nicht für den anderen zu?
Ein klassisches Beispiel im Kontext Beziehung, wenn auch ein Stück weit klischeehaft, könnte sein: “Liebling, lass uns einen schönen Abend zusammen verbringen!” Idee “schöner Abend” von Partner 1 ist: Sofa, Pizza bestellen, Fernseher an, vielleicht miteinander Fußball gucken, schweigen. Partner 2 denkt bei “schöner Abend” an: kuscheln, miteinander kochen, ausführlich reden, sich in die Augen sehen, den nächsten Urlaub oder eine neue Wohnungseinrichtung planen.
An der Begrifflichkeit “schöner Abend” hängen ganz unterschiedliche Verknüpfungen. Das immer wieder abzugleichen, ist und bleibt eine zwischenmenschliche Aufgabe.
So hat auch jeder auf seine Art zu dem Begriff “Insel”, “Rauchen”, “Maske”, “Begabung”, “Therapie” etc. eine Assoziation, die es erstmal sinnvoll ist, selbst zu beleuchten und zu definieren. Hinzu kommt, dass bestimmte Begrifflichkeiten so bedeutungslastig vorgeprägt sind, dass wenig Raum bleibt, dem Gegenüber zuzugestehen, etwas anderes damit zu verbinden. Was wir sagen (und voraussetzen) und was wir meinen, dafür gilt es, eine Wachsamkeit und vielleicht sogar Neutralität zu entwickeln. Wie überfrachtet sind Worte wie “Beziehung” und “Liebe”, ja selbst “schöner Abend”.
Ähnliches trägt sich zu bei Assoziationen, was Therapie kann oder eben nicht. Was ist Schulmedizin? Was ist Energie? Was verbindet man mit einer Heilpraktikerin — eine mögliche Assoziation: wallende Gewänder, Holzkette, Räucherstäbchen? — Nüchterne Auflösung: Es ist das Bestehen einer schriftlichen und mündlichen Prüfung, die einen bevollmächtigt, ohne ärztliche Verordnung arbeiten zu können und als Heilpraktiker/in per Definition “keine Gefahr für die Volksgesundheit” darzustellen. Wie die Umsetzung dieser Befähigung und der dazugehörigen Kleiderordnung ist, bleibt jedem HP selbst überlassen ;).
So ist auch während meiner Arbeit immer wieder ein Abgleich von “Assoziationen” wichtig. Um Wiederbefundszeichen zu finden, ist es fachlich empfehlenswert, z.B. Alltagsbewegungen abzufragen. Auch, um eine Entwicklung des Schmerzes zu sehen. Therapeut: Wann tut es Ihnen im unteren Rücken weh? Patient: Wenn ich länger sitze. Th: Was ist für Sie “länger”?! Auf diese Frage kommt eine Antwort von “5 min” bis “8 Stunden”. Der Patient gleicht es mit seiner individuellen Wahrnehmung und seinem Zeitempfinden ab. Ähnliches findet bei “schwer heben” statt. Ich erinnere mich an eine Patientin, die Schmerzen in der Schulter bekam, wenn sie “schwer” hob. Sie arbeitete im Büro, berichtete mir aber auf Nachfrage, dass sie privat Landwirtschaft und Kleintierzucht betrieb und wenn sie an einem Tag 50 volle Schubkarren mit Mist weg fuhr, dann meldete sich ihre Schulter. Um die Intensität der Belastung richtig einzuschätzen, war es wichtig, dass wir unsere Assoziation zu “schwer” miteinander abglichen.
Vielleicht verlangen gerade die aktuellen, weil auch schwierigen Zeiten mehr Bewusstheit bei unseren jeweiligen Assoziationen zu Begrifflichkeiten, Zeitempfinden und Prioritäten. Es ist sinnvoll, unsere Kommunikation und inneren Verknüpfungen selbst immer wieder zu hinterfragen und im Austausch darauf zu achten, ob der andere in seinem Kopf ein ähnliches Bild hat, wie das, was man beschreibt. So ist wie hier http://blog.tina-knape.de/2021/05/06/wahrnehmungen-jenseits-der-norm-synaesthesie/ Synästhesie ein interessantes Phänomen, was manche Menschen als ihren persönlichen Standard tragen. Deren Assoziation zum Thema “Empathie” oder “farbenfroh” ist vermutlich eine vollkommen anderer, als der “Normalo” es empfindet. Dabei gibt es kein Besser oder Schlechter, nur ein Anders. Darüber sollten wir uns bewusst sein und abgleichen.
Somit: Auf einen “schönen Abend” für alle Beteiligten. 😉