Anfang und Ende
Im Leben – wie auch in unserer Arbeit mit Patienten/Klienten – gibt es in allem einen Zyklus, ein Kommen und Gehen, einen Anfang und ein Ende. In jeder Behandlung/Begegnung existiert ein Moment des Begrüßens und Willkommen heißens, der eigentlichen Therapiezeit und des Verabschiedens.
So findet sich dieser Grundaufbau auch in jeder einzelnen Technik wieder- von Hautkontakt, Ausführung der verwendeten Methode bis zur Verabschiedung aus dem Gewebe. Solche Verläufe sind vergleichbar über die Dauer eines Rezeptes oder in dem Zeitrahmen der Begleitung während einer Krankheit/Einschränkung.
Im Bild des großen Ganzen ist uns wohl allen klar, dass es eine Geburt, einen Zeitraum dazwischen und den Tod gibt. Und doch ist es nicht so ein allgemein beliebtes Thema, sich dessen bewusst zu sein.
Das findet sich ebenso in unserem Wirkungsbereich wieder. Verabschieden und Beenden einer Patienten-Therapeuten-Beziehung gehört auch zu unseren Aufgaben. Fehlt häufig die Einsicht und der Wille, auch da sich der Zyklen stetig gewahr zu sein?
Wann kommt wirklich der Patient an den Punkt, sich ausreichend begleitet und austherapiert und “unabhängig” zu fühlen, weiter ohne Therapie in seinem Leben zu sein?
Wann findet der Behandler einen Abschluss, seine (therapeutischen) Grenzen zu erkennen und auch die Therapierbarkeit mit der bisher ausgewählten Methode als “Ziel erreicht”, “Pause erforderlich” oder “weitere Therapie nicht sinnvoll” einzuschätzen und auszusprechen?
Gibt es auch den Mut, sich mit “Unlösbarem” abzufinden und den Patienten seinen Selbstheilungs- oder Selbstzerstörungskräften zu überlassen?
Inwieweit braucht es gelegentlich auch ein ärztlich- oder krankenkassenspezifisches Beschränken, weil über die Wahrnehmung und Einschätzung von Patient-Therapeut-Arzt keine ausreichende Reflexion oder Absprache stattfindet?
Welche eigenen Interessen (egal, von welcher Seite der Beteiligten, ob emotional gelenkt, wirtschaftlich motiviert, Hierarchien und Co-Abhängigkeiten beinhaltend etc) tragen dazu bei, wie sehr es ein “sich gesteuert fühlen” hervorruft? Tritt eine “Grenzenlosigkeit” ein, die auch mit unserem gesellschaftlich vermiedenen Teil der Auseinandersetzung von Zyklen und Verläufen im Leben herrühren?
Wieviel Eigenverantwortung trägt und behält jeder Beteiligte bei der Interaktion der Erhaltung und Verbesserung von (körperlichem) Leiden?
Was hält uns davon ab, neben dem Willkommen heissen und dem Ja, auch dem Verabschieden und dem Nein genausoviel Raum zu geben und trotzdem offen zu sein für Überraschungen?
Braucht es Mut, klar auch seine Wahrnehmung auszudrücken, seinen Teil der Kooperation von Patient-Therapeut-Arzt-Abrechnungsstelle wieder aufzulösen und aus dem Kreis herauszutreten (vielleicht, um sich in den nächsten Zyklus zu begeben)?!
Beim Beobachten von Natur findet sich immer wieder ein Fließen. Die Sonne geht auf, hat ihren Zenit, geht wieder unter.
Der natürliche monatliche Zyklus der Frau steht für Aufbau und Abbau. Das gilt im Großen wie im Kleinen. Verläufe beginnen und enden. Es gibt den Zyklus des kurzen Momentes eines Augenaufschlags und des Lidschlusses, das Zeitfenster einer natürlichen Wundheilung, der Dauer einer Schwangerschaft, der Wandel der Jahreszeiten…
Vielleicht ist es Zeit, diesen natürlichen Fluss des Kommen und Gehens und des Anfang und Endes auch wieder mehr in unsere Arbeit einzubinden, um einerseits aufzunehmen, behilflich und begleitend zu sein und andererseits wieder loszulassen und freizugeben.
Uns zuliebe, dem Patienten zuliebe, dem System der sozialen Gemeinschaft zuliebe.