“Schnitzel-Therapie” oder “Frühlingsrolle” für die Wundheilung?

Oder eben Froschschenkel aus dem Elsaß 😉

Eins der Dinge, die ich an meinem Beruf mag, ist der internationale Kontakt, der sich beim Behandeln ergibt. Meine Beispiele klingen vermutlich ein bisschen Stereotyp, doch egal, woher jemand kommt und wobei er sich verletzt hat, auf der Behandlungsbank sind wir uns alle gleich. Oder vielleicht doch nicht? Ob sich ein serbischer Bauarbeiter aufgrund einer umstürzenden Platte das Becken bricht, eine amerikanische Friseurin mit dem Fahrrad stürzt und die Schulter verletzt oder ein Vietnamese sich mit dem E-Scooter den Unterschenkel zertrümmert — alle leiden Schmerzen, alle brauchen Therapie, alle sind hier vor Ort medizinisch versorgt worden.

Mit einem Unterschied: Jeder kennt aus der Vergangenheit in seiner Heimat eine andere Behandlungsmethode. Kulturell geprägt gibt es unterschiedliche Therapieansätze, die wir auch in unserer kindlichen Erfahrung abgespeichert haben. So gab es bei Durchfall in meiner Heimat geriebenen Apfel, bei einer befreundeten Iranerin isst man Reis. Symptome haben nicht nur verschiedene Ebenen http://blog.tina-knape.de/2021/03/18/erklaerungsmodell-der-vier-ebenen-einer-beschwerde/ , sondern auch unterschiedliche Prägungen der Heilung.

Als ich vor Jahren mit meinem Freund und Kollegen für 6 Wochen in Kambodscha in einem Waisenhaus gewohnt und für die Kids des Hauses und Dorfes unter anderem Englisch unterrichtet habe, bauten wir auch eine Behandlungsbank. Zusätzlich boten wir den Leuten aus dem Dorf unsere “deutsche” Art der Behandlung an. Schon, wie unsererseits gewohnt, Termine zu vergeben, war schier nicht möglich, da immer alle Gäste zugleich kamen und zuschauten. Als Gemeinschaft saßen alle drumherum. Dabei wurde sich auf Khmer ausgetauscht und rote Gojibeeren geknabbert. Da wir groß gewachsen, hellhäutiger und somit exotisch waren, hatten wir eine rege Nachfrage an Patienten bzw. Besuchern. Doch ob wir auch “Therapieerfolg” hatten, stelle ich noch heute in Frage ;). Manche Knie waren so voller Arthrose, dass auch zwei Behandlungen pro Woche mit entlastenden Techniken für die begrenzte Zeit, die wir vor Ort waren, eher ein Tropfen auf den heißen Stein darstellten. Anderen war es einfach nicht schmerzhaft genug, dass diese Art der Behandlung etwas bringen konnte.

Erstaunt sahen wir, was bei Kopfschmerzen von einem der Teenager im Haus als gegenseitige Therapiemethode angewendet wurde. Üblicherweise wurde mit den Fingernägeln der Rücken mit roten Striemen versehen, wie es auch innerhalb der TCM üblich ist. Es wurde intensivst an den Haaren gezogen, bis vor Schmerz Tränen flossen. Diese Form der Intensität war nicht in unserem Behandlungsrepertoire, vor allem nicht bei HandsOn-Techniken aus der Osteopathie. Pillen hatten wir auch keine dabei (danach gab es mehrere Nachfragen). Somit haben wir nach deutschen Verhältnissen unser bestes gegeben, auch Vier-Hände-Therapie http://blog.tina-knape.de/2019/05/24/die-magie-einer-vier-haende-behandlung/, Befundung und Manuelle Therapie. So ein richtiges Erfolgserlebnis blieb hingegen eher aus. 😉 So lernt man Demut.

Auch daran musste ich denken, als ich neulich einen Vietnamesen behandelte. Ich versuchte ihm zu erklären, dass er mit guter deutscher Therapie versorgt wird. In der Praxis bekommt er klassische Physiotherapie mit Mobilisations- und Kräftigungsübungen, was ihn wieder fit und belastbar machen soll. Parallel hatte ich trotzdem das Bedürfnis, ihm Akupunktur bei einer TCM-Ärztin zu empfehlen, um seine Meridianen und seinen inneren Fluss für seine Heilung zu unterstützen. Seine Zellen erinnern vermutlich noch ganz andere Arten von Therapie. Meine Aussage war: Wir machen hier echt gute “Schnitzel-Therapie”, doch es ist sicher für die Ergänzung und Abwechslung sinnvoll, auch mittels Akupunktur eine Art “Frühlingsrollen-Therapie” zu genießen. Es ist gut, andere Gewürze und Zubereitungsarten parallel zu probieren, um zu gucken, was der Wundheilung am besten “schmeckt”.

So ist es sinnvoll, offen zu bleiben, was und wen wir vor uns haben und der trotz der gleichen Diagnose vielleicht eine ganz andere Geschichte trägt. http://blog.tina-knape.de/2021/08/19/wie-erfahrungswelten-praegen-zwei-schulter-geschichten/

Mal ehrlich, immer nur Schnitzel, sogar vegan aus Kohlrabi, ist selbst für einen Deutschen vielleicht nicht Abwechslung genug. 😉 Mal andere “Flavour” auszuprobieren, kann auch bei Stagnation oder als Impuls, ähnlich, wie eine Pause http://blog.tina-knape.de/2020/10/22/mach-mal-pause/ hilfreich sein.

Guten Appetit!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert