Spielerisch sein/ being playful

Ein schöner Aspekt meines Berufes ist, dass ich nicht nur Menschen verschiedener Berufsgruppen und Altersstufen kennen lerne, sondern auch aus anderen Kulturen und mit anderen Muttersprachen. Dadurch gibt es immer wieder Themen oder innere Bilder, die sich von Patient zu Patient sehr unterscheiden. Eine temperamentvolle Südamerikanerin auf meiner Behandlungsbank spült ganz andere Perspektiven und “Natürlichkeiten” an die Oberfläche als eine Deutsche. Und in einer anderen Sprache zu behandeln, lässt außerdem andere Tina-Saiten in mir schwingen. (Und ich liebe Südamerika und komme mir dann auch ein bisschen vor wie auf Reisen 😉 http://blog.tina-knape.de/2015/02/16/das-haus-in-patagonien/.)

Neulich ging es während einer Behandlung um “spielerisch sein”, being playful, ser jugueton. Vielleicht ist das etwas, was in unserem deutschen Temperament nicht ganz so obenauf liegt wie in anderen Teilen der Welt. Nicht umsonst wurde auf meinen Reisen Deutschland häufig mit Korrektheit, Pünktlichkeit und Ingenieurtum in Verbindung gebracht. Kann es hilfreich sein, sowohl körperlich beim Ausführen von Übungen und Bewegungen, als auch mental beim Begegnen mit neuen Themen oder Menschen die spielerische Komponente zu bewahren bzw. zu entwickeln?!

Spielerisch sein hilft uns, die Dinge mit einem anderen Entdeckergeist zu sehen und uns auf neue Art und Weise “auszuprobieren”. Es nimmt Druck und Anspruch heraus und reduziert unsere Erwartungshaltung an uns selbst und das Gegenüber. Es bietet Raum, dass sich eine andere Leichtigkeit breitmachen kann.

Beim Stütz an der Wand oder beim Ziehen an einem Seilzug geht es auch darum, den Körper in seiner Selektivität und Geschmeidigkeit zu unterstützen. Da braucht es einen guten Flow, ein optimales Zusammenspiel verschiedener Muskeln als Kette. Ein Gelenk gleitet und rollt gleichermaßen, auch das findet im besten Fall mit der richtigen Mischung aus Zug und Druck statt.

Stellen Sie sich vor, Sie verbringen heute einen “spielerischen Tag”. Was ist spielerisch für Sie? Wie stehen Sie morgens auf? Wie ist Ihre Grundspannung beim Start in den Arbeitstag? Wie fühlen Sie sich beim Training/ bei sportlicher Bewegung, wenn nicht Leistung, sondern Spiel im Vordergrund steht? Wie gehen Sie in Kontakt mit Menschen in Ihrem Alltag, wenn Sie nicht “verbissen”, sondern “playful” mit den Marotten der Mitmenschen umgehen?

Ähnlich ist es in unserem Geist. Auch hier benötigen wir eine gewisse Geschmeidigkeit, um Raum zu haben und nicht in Starre oder Chaos grenzgängerisch unterwegs zu sein. Wenn wir uns in unserer Vorstellung und in unserem Agieren ein Spielerisch-Sein bewahren oder etablieren können, schafft das wohligere Rahmenbedingungen für Kontakt und damit verbundene Unbeschwertheit. Trotz all der Päckchen, die wir tragen und all der einprägsamen Geschichten, die Teil unserer Historie und Tiefe sind, ist es ein schöner Ansatz, mit der Offenheit und dem Spielvergnügen eines Kindes in ein Begegnen zu starten und sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. So datet es sich auch viel leichter (an alle Singles da draußen!).

Es gibt immer wieder so viel zu entdecken – und nicht nur zu bewältigen. Es gibt im besten Fall nicht nur eine to-do-Liste, sondern auch eine für das to-be http://blog.tina-knape.de/2020/10/15/to-be-liste/. Der Muskeltonus bekommt damit eher eine Selektivität, über die sich nicht nur muskuläre Querstrukturen freuen, sondern der gesamte Fluss im Körper profitiert. http://blog.tina-knape.de/2019/11/29/eine-geschichte-fuers-becken/

So kristallisiert sich für meine Patientin aus Kolumbien das “spielerisch sein” als eine bewusste innere Ausrichtung heraus, um lindernd auf ihr Beschwerdebild einzuwirken. Ich erinnere mich, wie unterschiedlich auch ich mich auf Reisen gefühlt habe oder wie es im Familiensetting bzw. in verschiedenen Jobs und Städten für mich ist. Ein guter Flow und spielerisch sein geht für mich miteinander einher. Für sie ist es gefühlt noch viel mehr ein re-connecten mit einer alten Fähigkeit, die sich im Dschungel der deutschen Regeln versteckt hat und die es wieder zu erwecken gilt.

Möge es heute und diese Woche mit viel Bewusstsein eine spielerische Grundstimmung in uns geben. Und dann beobachten Sie mal, was das auch im Außen bewirkt! PLAY.

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