Macht es eng? Oder macht es weit?

Heute hatte ich eine bewegende Behandlung mit einer Patientin. Mit meinen Händen am oberen Rand ihres Brustkorbs und dem dort verfestigten Gewebe spürte ich eine Spannung und Kontraktion, die eine besondere Art der Intensität hatte. Das war nicht einfach ein verspannter Muskel im Nacken von zu viel Homeoffice und zu wenig Bewegung. Im Kontakt kam mir als Übersetzung der Zellenspannung eher sowas wie “wider der Natur” in den Geist geploppt. Die Art der Belastung, der sie sich aussetzt — vielleicht im beruflichen Kontext, vielleicht im privaten Sektor — fühlte sich an wie wider ihrer Natur und ihrer eigentlichen Talente.

Da wir uns schon eine Weile kennen und sie mir vertraut, konnte ich ihr recht unverblümt meine Übersetzung der Spannung schildern. Es berührte sie, es erreichte sie. Ich konnte sehen, wie sie innen drin Kontakt zu Anteilen bekam, die sonst in einem vollgepackten Alltag häufig zu kurz kommen oder anderweitig überdeckt werden.

Dabei fiel mir ein, was meine Lehrerin in einem Intuitions- Seminar einmal empfahl — eine simple, aber so weitreichende Empfehlung, um besser Kontakt zu seiner inneren Stimme und seiner eigenen Verbundenheit zu bekommen. Wenn wir vor Entscheidungen gestellt und uns noch unklar sind, was wir denn “eigentlich” wollen, dann helfen diese beiden kleinen Fragen für ein inneres Navigieren: Macht es eher eng? Oder macht es eher weit?

Dabei ist es recht egal, ob es um die Auswahl des Abendessens (Thai, Indisch, Bratkartoffeln oder vielleicht doch lieber einfach eine Scheibe Brot?!) oder das Treffen eines Freundes nach einem intensiven Tag geht (auf dem Sofa versacken oder doch nochmal vor die Tür gehen?).

Beim Reinspüren in den eigenen Körper stellen Sie sich zum Beispiel die Frage: Wenn ich mich in die Situation denke, XY zu begegnen — macht es eher eng oder eher weit?

Darauf bekommen wir meist recht deutlich eine klare Resonanz. Vielleicht überrascht es auch, weil der Kopf und die Logik uns etwas anderes geraten hätten, als das, was körperlich dazu auftaucht. In dem Fall: dem Körperimpuls folgen! Das ist pur und unmittelbar. Und damit auch diese Herangehensweise nicht kognitiv bleibt: am besten zur Selbsterfahrung ausprobieren! Umso geübter wir darin sind, zu spüren, was unser innerer Impuls ist, desto leichter können wir in kniffligen Situationen auch unser “Bauchgefühl” mit einbeziehen.

So habe ich heute bei meiner Patientin mit meinen Händen und meiner Übersetzung in ein Wespennest gestochen. Ich konnte ihr ansehen, dass sie sichtlich bewegt war und mit dieser neuen Hausaufgabe, darauf Acht zu geben, was ihr Inneres braucht oder sich wünscht, einiges in Bewegung kam. Sie ist eine intelligente, offene, vielschichtig begabte Frau und in ihrem beruflichen Setting erlebt sie Interaktionen und Umgangsformen, die wohl wirklich “wider ihrer Natur” sind. Wie viel Lebensqualität bleibt dann? Wie viel Erfüllung, Freude und Ausdruck ihres Selbst hat noch Raum?

Probieren Sie es selbst mal aus. Bei der Frage: Heute noch ein Abendspaziergang an der beginnenden Frühlingsluft? Körper- Feedback: Eher eng oder eher weit? Frohes Spüren und Umsetzen.

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