Sommergewitter über Südtirol

Auf einer Terrasse mit Blick in ein Tal von Südtirol, umgeben von Apfelplantagen, zieht nach einem weiteren hitzigen Tag ein fettes Sommergewitter auf. Es ist hier und drumherum und zieht an uns vorbei- irgendwie alles zugleich.

Es grollt, es zucken Blitze längs und quer und zickezacke. Einer sah gerade aus wie ein Straßenverlauf in den Bergen hier oben, eben nur direkt am Himmel. Und der Ausblick aus der Bergperspektive ist nicht nur 180 Grad Querformat, sondern auch vertikal.

Die Geräusche und der Wind werden intensiver und kommen immer näher- dann flauen sie zwischendurch kurz ab, als würden sie durchatmen und für die nächste Aktion Luft holen.

Zwischendurch klirren Hagelkörner in die Dachrinne. Der Sound wird nun nochmal ein anderer und ich muss vor dem Piksen der vielen kleinen Körnchen und der großen Regentropfen ein Stück weit mehr den Schutz des Hauses nutzen, um mich inklusive Papier und Stift vor der nächsten Wucht des Abendgewitters zu schützen.

Mitgefühl macht sich breit in mir: Hagel bei Obst- und Weinanbau- das ist wohl so ziemlich das Heikelste, was in der Reifephase passieren kann. Bisher habe ich bei Hagel an zerbeulte Autodächer gedacht. Doch nun, gerade eben hier vor Ort zu sein, dem Naturschauspiel mit Haut und Haar beizuwohnen und das frische Wissen zu haben, lässt ganz anderen Raum in mir zu. Auch das ist ein Aspekt, wofür Reisen und ein Standort- und somit auch Standpunkt- Wechsel ganz hilfreich ist. Reisen weitet. Kontakt und Austausch auch.

Mittlerweile rauscht ein gleichmäßiger Regen vom Himmel und platschert durch die Dachrinne. Es grummelt noch, es klingt wie Wellen. Blitze zucken vereinzelt weiter über das weit einsehbare Tal. Mal punktuell, mal großflächig erhellend. So klingt auch das Grollen manchmal wie aus einem Orchestergraben- oder es versetzt durch die Tiefe und Intensität des Tones förmlich alle Bauchorgane in Schwingung.

Manches kann ich einfach angucken, anderes geht mir durch Mark und Bein.

Und da ich es nun mal mag und es meine Art ist, das Leben außen auf das Leben innen zu übertragen- und umgekehrt-, fühle ich die Intensität des Gewitters gerade mit einer besonderen Perspektive.

Ein “bereinigendes” Gewitter wird ja gern mal als Bild verwendet, wie Paare es beschreiben, wenn sie es bis zur Goldenen Hochzeit miteinander geschafft haben. Bei Qi Gong/ Yoga und Co empfiehlt man, lieber nicht in Zeiten eines Gewitters zu praktizieren, weil sich dabei gerade Energien von + auf – wechseln (oder andersrum).

Für mich ist ein Gewitter ein interessanter Spiegel, mit welcher Wucht sich Dinge auch ändern und wandeln. Und was für Kontraste! Wie unglaublich hell ist ein Blitz an einem dämmernden Himmel. Wie unfassbar laut kann so ein Grollen und Donnern sein. Und wie heftig und scheinbar aus dem Nichts prescht so ein Hagel oder Regen los.

Und klar, es gab doch Vorzeichen. Ein Grummeln, dunkle Wolken, Wind. Und doch ist die Intensität und Heftigkeit immer wieder verblüffend.

Gerade machte sich ein Gefühl von “es beruhigt sich wieder” breit und gleich darauf schallt ein ungeahnter Rums durchs Tal. Doch noch nicht genug entladen.

So geht es uns doch auch bei zwischenmenschlichen Beziehungen. So bringen wir mit viel Rambazamba (meist nicht mit “Wasserrutsche ” 😉 ) ein Kind auf die Welt. So ist es mitten im Leben je nach Phase mal lauter und mal leiser. So gehen einige still und andere mit viel aufbäumender Wucht, wie ich es im Hospiz miterlebt habe, wieder aus dem Leben.

Mal haben wir die Chance auf Draufsicht, mal sind wir mittendrin und spüren es in jeder Zelle. Mal können wir ein Stück zurückgehen und Schutz suchen, statt uns ihm voll auszuliefern. Wenn es uns erwischt hat, dann gilt es am nächsten Morgen die Schäden zu checken und irgendwie in den Rest zu integrieren und trotzdem eines Tages zu ernten. Am Beispiel der Äpfel macht man wohl dann Saft daraus. Das bringt zwar wirtschaftlich nicht so viel, lecker ist es trotzdem.

So sitze ich hier und lausche und beobachte den besonderen Geräusche dieses Abends und bin irgendwie auch berührt und entzückt dabei. Wucht gibt es auch in der Natur. So viele Sinne sind angesprochen. Wie faszinierend die Intensität ist. Eindrucksvoll.

Was für eine Lebendigkeit!

Kleiner Nachtrag: Die frische Luft am nächsten Morgen mit geklärtem Himmel und weiterem Blick ins Tal war wirklich sensationell, erfrischend und erleichternd.

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