Das Haus in Patagonien

13.2.15

In den Weiten Patagoniens bin ich in dem schönsten Haus, was ich kenne, mit dem tollsten Ausblick über Land, Berge und See. Bariloche liegt zur Linken…
und ich bin hier wieder willkommen bei Julia und Martin, noch immer ganz gerührt, mit welcher Herzlichkeit ich abermals Gast und Teil ihres Lebens sein darf.
Auf der Morgensonnenterrasse (oder am Nachmittag, wenn die Sonne höher steht und um die Ecke gewandert ist und somit der Schatten frohlockt) liege ich gern flach auf dem Rücken auf den Holzpaneelen und guck in den Himmel. Ozeanblau.
Am ersten Tag, ko von der 22 h Busfahrt von Buenos Aires, war ich wieder ganz geflasht von der Schönheit dieses Ortes. Am zweiten Tag hatte ich recht viel Zeit für mich und es überkam mich eine Melancholie, die auch dieser Platz hier auslöst. Hier habe ich vor gut einem Jahr die Chance gehabt, eine Woche mitten in der Pampa zu verbringen; runterzufahren; zu träumen; zu visionieren; zu schreiben; gute Gespräche über Dinge zu führen, die möglich sind, wenn wir in unserem Geist anfangen, sie zu erlauben.

Das ist hier die Brutstätte meiner aktuellen Reise. Hier entstand der Wunsch, loszuziehen und so lange zu bleiben, wie ich Lust habe- und nicht schon beim Abflug das Rückflugdatum zu wissen. Hier waren die Menschen, die meine Vorstellung geöffnet haben, auch woanders zu wohnen, was Neues zu arbeiten, etwas zu kreieren, was andere sich schon im Kopf nicht erlauben, geschweige denn den Mut haben, es umzusetzen. So wie Martin dieses Haus an diesem Platz geschaffen hat. Es ist nur aus Holz, Stein und Glas. Mit Wille und Leidenschaft und auch ohne Architektur studiert zu haben, hat er dieses wunderbare Zuhause entworfen, umgesetzt und an den dafür großartigsten Platz gebaut, den dieses Haus verdient. Er hat Julia in Buenos Aires kennengelernt und mit seinem Esprit den ihrigen entfacht, ihren Journalistenjob in der Großstadt an den Nagel zu hängen und hier nun mittlerweile drei Hostels zu managen und abends immer noch mit Freude für ihre Tochter Cathalina und Martin ein großartiges Essen zu zaubern (wovon auch ich gerade ja Nutznießer und Genießer bin) und die Natur zu genießen.

Vielleicht ist es die Kombination aus Geschichten von Menschen und Erlebbaren, was mich auf Reisen (und auch sonst) immer wieder fasziniert. Wieviel ist wirklich vorbestimmt und folgen wir einem Pfad? -Und wieviel geschieht aus eigener Kraft, Ziel, Vision, Talent, Zufall, Freude und Mut?
Vielleicht kann ich an Plätzen wie diesen, mit Geschichten wie diesen, mir anders erlauben, auch noch größer, noch weiter, noch verrückter zu denken. Vielleicht ist das mein Weg von Inspiration, um damit wiederum andere inspirieren zu können.

Und an meinem 2. Tag hier, mit dieser melancholischer Stimmung, kam mal wieder mein wunderbares Freunde-Backup zum Einsatz, die mich mit klaren Ansagen (Zitat T.: Was ist deine wichtigste Frage? Was brauchst du dafür? Finde es raus, beantworte sie- und mach einfach!) und warmen Worten, vertrauensvollen Bestärkungen und manch “Weisheitskarten” einen weiteren, vielversprechenden Weg aufgezeigt haben. In dem Moment fühlte ich mich eher, als hätte ich nun all meine Visionen, wieder hierherzukommen, erfüllt. Ich hab mir selbst, ihnen und Patagonia versprochen, wiederzukommen, diese Landschaft abermals in mir aufzusaugen, mir zu erlauben, noch einmal mit mehr Zeit wiederzukommen und zu gucken, ob es nicht ein Ort zum Bleiben ist.
Der Ort hier bedeutet wohl auch, dass sich recht viele Etappen meiner Reise schon erfüllt haben und ich nach all der Zeit der mentalen und praktischen Vorbereitung, nun wirklich alles in Hamburg auf Eis gelegt habe, losgeflogen bin, in Nepal war, eine unerwartet besondere Zeit in Malaysia hatte, das Schiff mich über zwei Ozeane gebracht hat, mir das Meer so vertraut geworden ist wie nie zuvor, ich in Uruguay reiten war und mittlerweile jetzt wieder hier bin, im Westen von Argentinien, in den Weiten von Patagonien.
Das ist schon so ein Ding, mit der Erfüllung. Das gilt es auch erstmal auszuhalten. Auch die Tatsache, hier so willkommen zu sein, wobei ich nichts einbringe, sondern eher leidenschaftlich mitesse, schlecht spanisch spreche und nur mit ihnen die Sonne, den Ausblick und die Terrasse genieße. “Receiving”, Annehmen, Empfangen- das war das Thema in Nepal beim Meditieren. Das wirklich einfach anzunehmen, das, was ist. Dass ich hier bin, nichts tue, Zeit habe, nichts erwartet wird. Dass ich abermals an einem wunderbaren, friedlichen, wunderschönen Platz bin und das gerade einfach so sein darf. Krass. Wunderbar.

Und doch klopfen so Fragen an wie: Und jetzt? Was kommt nun? Wenn ich das möglich machen konnte, was gilt es wohl als nächstes in mir anzupeilen, um es wahr werden zu lassen?

Am dritten Tag hier kommen schon ein paar Antworten um die Ecke. Neue zarte Wünsche. Erste Aussprossungen von Richtungen, um die es wohl nun gehen könnte. Manche machen mir Angst, weil ich wohl häufig “Struktur” als Starre empfunden habe… doch dann denke ich an meine weise Lehrerin Kira und wie sie immer sagt: “Und zu allem Raum hinzufügen, weil es da auch immer was gibt, was wir nicht wissen.” Dann atme ich wieder bewusster ein und aus und kann es bei dem Anblick der Natur wieder kaum fassen, dass ich mittendrin sitze und doch spüre: es ist gerade wahr. Es ist möglich. Ich sitze hier gerade wirklich. Und wenn das geht- warum dann nicht auch…?!

Martin hat mit 37 “alles geschaffen”, was er sich immer sehr gewünscht hat. Jetzt sitzt er hier größtenteils den ganzen Tag auf seinem Grundstück, pflanzt mittlerweile Wein an, gießt das Lavendelfeld, liest philosophische Bücher, ist seiner Tochter mit vollem Herzen ein Vater. Auch er hat Zeit und fragt sich weiter viele Fragen. Er meint zu mir: “Auch ich hätte gern, dass vor der Tür der Wein schon runterrankt und mir die Trauben über dem Kopf baumeln. Doch alles braucht seine Zeit.”
Und nur happy ist er wahrlich auch nicht.
Er erzählt mir, dass wir letztlich als Menschen in zwei Gruppen einzuteilen sind, die, die sich Sicherheit wünschen und die, die nach Freiheit streben.
Mittlerweile träumt er von einem Leben in Europa. Den Sommer hier- und die andere Hälfte des Jahres mit nochmal Sommer in Europa. (Es lebe die Tatsache der anderen Erdhalbkugel ;).) Sein Bruder hat den Schritt schon gemacht- und hat nun ein Hotel in Portugal.

Auf dem Rücken liegend unter dem schon für die noch wachsenden Weinreben vorbereiteten Gitter denke ich an seine Worte.
Ich sehe Struktur, die Stabilität bietet und ich sehe den freien Raum dazwischen, dahinter das leuchtende Blau des Himmels.
Vielleicht ist es eine Frage jeder einzelnen Pflanze, wie sie klettert, wie sie den Raum füllt?
Vielleicht ist es möglich, ein harmonisches Miteinander von Struktur und Freiraum zu haben, egal, von welcher Seite der Präferenz man kommt?

Ich werde wohl mein Geschenk der Zeit hier dazu nutzen, mir weiter Fragen zu stellen und zu gucken, was für Antworten dazu auftauchen. Raum, Schönheit und Aussicht ist schon da. Auf diesem Nährboden wachsen wohl neue Visionen und Wünsche am liebsten.

Ein Kommentar zu “Das Haus in Patagonien

  1. Rolf

    Danke fuer diese schoenen, weisen und ermunternden Worte. Wuerde ich nicht seit nun acht Jahren in den kobaltblauen Himmel ueber Nepal traeumen, waere es vielleicht ja auch Patagonien geworden? Auf jeden Fall bin ich der Typ “Freiheit” mit ein wenig “Struktur”, die sich eigentlich immer erst stets am Morgen ergibt. Liebe Gruesse und Namaste, Rolf im Chitwan National Park in Nepal bei den wilden Tieren & Natur pur! Dabei ist es wieder mal sunny & warm juhuuuuuuu!

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